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WELTPHILOSOPHIE VONNÖTEN

Mehr Reserve und weniger Brandbeschleuniger

 

Michael Roth, Staatsminister: China als Europas Systemrivale. Die Sicherheit unserer Bürger steht auf dem Spiel. Spiegel-Online; Gastbeitrag vom 02.08.2020

Auwei! Nassforsch. Großschnauzig. Aufgeblasen. Woher dieser Übermut? Nach innen gesprochen, doch mit der Kritik auch außen wahrgenommen! Oje.  Da hat Schule und Studium wohl große Lücken gelassen, hat keine kulturkreisspezifische Bildungsreise stattgefunden. Wir Europäer haben eine koloniale Vergangenheit in der Welt und 1982 sind noch Kriegsschiffe gen Falklandinseln gezogen. Britische Interessensicherung: Antarktis.  Britischer Kriegszug und Sieg als demokratische Befreiung von der  argentinischen Junta garniert.  China hat auch mit dem Opiumkrieg  deutsche Kriegstruppen der Kaiserzeit in Erinnerung und wehrte sich gegen  Strafe und  Unterwerfung, musste aber  einige Federn für Häfen des Außenhandels lassen. Japan hat sich auch kriegerisch an China versucht. Von Europa her kommunistisch infiziert,  die Revolutionszeit erlitten,  inzwischen erstarkt  und in der Lage, seine Interessen vor der Haustür wie auch in der Welt selbstbewusst wahrzunehmen.

 

China ist nicht als Eroberer gekommen, sondern ist vom Riesenmarkt her geschäftlich nachgefragt worden und ist auch außenwirtschaftlich sehr erfolgreich. Es sieht sich Eifersuchtsattacken wegen der wachsenden Einflussmacht ausgesetzt.  Aber auch eine Weltordnung des Scheins und vieler unberechenbarer Faktoren, von Konkurrenz und Rivalität wie auch“ unsichtbarer Hand“ bestimmt,  die diesem staatlichen Großgebilde an Menschen, Leistungskraft und Leistungsschwächen, an Ordnungsleistungen und Verhaltensnormen wie auch eher  von seiner größeren Unbeweglichkeit her  gefährlich werden und darum nach einer echten weltpolitischen Ordnung des berechenbaren Umgang miteinander verlangen, von Verträglichkeit und Koexistenz, sachlich und menschlich in Wahrheit und Gerechtigkeit  getragen.

 

Im deutschen Außenministerium  ist mit Blick auf den Global Player China mehr Einsicht in dieses vieltausendjährige Kulturgewächs vonnöten. Empfohlen als beachtliche und denkwürdige Lektüre aus chinesischer Philosophenhand: Zhao Tingyang, „Alles unter dem Himmel. Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung.“ Und wie es der Zufall aktuell einspielt, gibt es einen philosophischen Vergleichspunkt für  den interkontinentalen Diskurs aus der Feder des Philosophen Walter Jaeschke, dem langjährigen Direktor des Hegel-Archivs: „Das Fremde und die Bildung. Hegel über die Entwicklung des griechischen Bewusstseins, in: Hegels Philosophie“.

 

Der thematische  Aufmacher, den Jaeschke gesetzt hat, mag irritieren, doch er hat seine Richtigkeit. Es geht um eine geschichtliche Sichtweise, mit der Hegel vor gut zweihundert Jahren China und Hellas in Beziehung gesetzt hat.  Also zeitlich weit zurück,  noch weiter historisch zurück, was und wie Hegel die Begegnung von Asien und Europa, beide einander Gegenstück, ins Licht des Bewusstseins bringt.  Selbstgewinnung  am Fremden durch das Belichtungsmoment. Für uns, den davon Wissenden:  Ex oriente lux! Und es ist, als habe der von Jaeschke herauskristallisierte Vergleich Hegels  der heutigen Umbruchsituation in der Welt zu erweitertem verträglichen Umgang gegolten, einer fruchtbaren Koexistenz des Osten und Westen, damals noch und schon wieder  einander fremd und von daher für progressiven Lernfortschritt offen, für den Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit durch den Wandel durch Annäherung,  einander  fordernd und förderlich.  Ich denke, mit den 18 Seiten ist Walter Jaeschke ein durchzumeditierendes Meisterstück gelungen, weltbedeutsam überhaupt, das sicherlich auch in China freundliche Aufnahme finden wird, ebenso die wünschbare Beachtung für den europäischen Bildungs- und Integrationsprozess. Die mit dem Fremden nicht wohlgesonnen fremdeln, ja, diese an Fremdenfeindlichkeit Leidenden müssen sich nur diesen intellektuellen Klimmzug aussetzen und sich die aufgegebene Lektüre gefallen lassen, um Erstaunliches zu entdecken.

 

Der sprachlich ungeschliffene und unsortierte Umgang auf der politischen Bühne, wie Trump vor den EU-Staaten als Rambo aufgetreten ist, das hat mit protektionistischer Antreiberpeitsche der Vertrauensbildung  nicht gedient, sondern Abwehrreflexe erzeugt, vielleicht auch noch Worte hinter vorgehaltener Hand oder  zu der Faust in der Tasche geführt. Eben eine Situation der gegebenen  Machtverhältnisse, wer Löwe oder wer der Esel ist. Also als Esel zu meinen, man sei ein Löwe mit dem europäischen Binnenmarkt, ist doch zu starker Tobak. Wir sollten gerade als Deutsche den bewährten Weg des Wandels durch Annäherung gehen und andere einladen, diesen Weg mitzugehen, aufeinander neugierig zu sein, Wertschätzung zu bekunden. Gemeinsamkeiten zu entdecken, die Schwierigkeiten des anderen verstehen, Lösungswege anstoßen,  an die Tür der Menschlichkeit klopfen und bitten, voneinander in stets umgänglicher Weise zu lernen. Ob Angela Merkel oder Ursula von der Leyen,  da hat wohl bei diesen Cheffinnen die größere Einsicht den Respekt bei allen „Unterschieden“ befördert  und  ihn in der Tonalität für den Diskurs des Aufeinander-Zugehen  nicht vermissen lassen. Kluge Frauen. Wer mit dem drohenden Zeigefinger wie mit einem „Knüppel aus dem Sack“ agiert, lässt sich von Rambo-Allüren treiben.

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