PETER SLOTERDIJK
„ERLEUCHTUNG IM SCHWARZEN KASTEN – ZUR GESCHICHTE DER UNDURCHSICHTIGKEIT“
Vorab: Also in überzeugender Weise zur Durchsichtigkeit des schwarzen Kastens wie auch besserem Verständnis des Höhlengleichnisses hat Peter Sloterdijk nicht beigetragen. Die Sache, die von ihm ergriffene Sache, sie verhält sich wie seit eh und je. Was einfachen Menschen Alltagserfahrung ist, geschieht einer hochmütigen und verstockten Intelligenz als verspätete Erleuchtung im schwarzen Kasten, wenn überhaupt. Auch sie, nicht mehr auf der Insel der Seligen, plötzlich abhängig von so vielen Dingen wie andere auch, ohne Durchblick, zurückgeworfen auf ganz einfache und doch so schwere Fragen, wie dem Drachen der Nacht beizukommen und dem Phoenix des Tages Lebenshilfe zu leisten ist. Auf der Insel der Seligen, der Welt enthoben, gedankliche Leichtigkeit: Anything goes!
Es gibt zum Leitgedanken des Buches „Platons Spiegel“, herausgegeben von Mischa Kuball, im Beitrag von Sloterdijk einen leichten Höhlengleichnisbezug, aber dann doch original den Freigeist Peter Sloterdijk, der seinen Eingebungen folgt und durch markante Pflöcke Anhaltspunkte für Nachdenklichkeit einzuschlagen und durch viele Impulsgebungen zu fesseln weiß. Sloterdijk schreibt dem metaphysischen Diktum entgegen, dass einem Sehen und Hören vergehen muss und er ist geradezu, die Metapher einer Sache fassend, wie ein Getriebener auf neues Sehen und Hören hinaus. Was die Tonalität des Buches „Platons Spiegel“ angeht, ist sie bemerkenswert, weniger von Platon her, da uns hier der Geist des technologischen Fahrwassers der modernen Welt eindimensional gegenübertritt und schon gar nicht zureichend im Spiegel Platons reflektiert und gebrochen wird. Ein Beitrag in meiner Einschätzung, der von Bernhard Waldenfels, eng an Platon ausgerichtet, macht die Ausnahme in seiner ganzen Lesart, letztlich er auch noch die Frage nach der Befreiung in der Weise stellt, wer denn den Befreier erziehe, sozusagen den Programmierer, dessen Programme junge Menschen programmieren. Er bleibt hinter Platon zurück, sei es einerseits, was den Übergang von der auf die Führungsspitze zielenden „Politeia“ hin zu der erziehenden Macht guter Gesetze im Nachfolgewerk: „Nomoi“ angeht, andererseits das noch ungedeutete Zusammenspiel von Mann und Frau, gleichsam als ein Tandem in der Wechselseitigkeit von Einwirkungen zu sehen. Jedenfalls ist der rollende „Kugelmensch“ noch nicht als sich wechselweise vorwärts-ziehende Rollbewegung im pädagogischen beziehungsweise im andragogischen Sinn gedeutet worden. Offensichtlich jedoch bei Waldenfels Spuren des Überkommenen, der patriarchalen Denkungsart noch verhaftet, vielleicht auch einfach nur sprachlich unkritisch, ein Übergehen der Mutterkindschaft wie Mädchen in der Höhle, stattdessen männliche Linie, sozusagen Jungen für die Oberwelt, keine Jungfrauengeburt, sondern Männern entsprossen und von Männern Gesäugte.
Sloterdijks kurze Reverenz Platon gegenüber erschöpft sich auf Übernahme des Duals, der sensiblen und intelligiblen Menschenausstattung für seinen Gedankengang, die ihm, wie denn auch technokratisches Denken par excellence nicht anders sein kann, metaphorisch zur „Black Box“ und „White Box“ mutiert. Es stehen sich sozusagen als Anfang des philosophischen Denkens die Welt der Finsternis und die Welt des Lichts einander gegenüber, die in einen Wechselbezug treten und ihr Verhältnis im Stil von Yin und Yang verkehren. Das technische Denken greift die Entwicklung mechanisch, nicht organisch und teleologisch auf. Sloterdijk nicht anders. Es gibt keinen organischen Anfang: Platons Höhlenkind ohne Entwicklungsschritte zum teleologischen Zielpunkt: Platons Sonne, stattdessen die Pole Black Box und White Box, Finsternis und Licht. Eine elegante Lösung vieler Interpreten, um sich vorgegebenen Deutungspflichten des Textes zu entziehen.
Es schummelt Sloterdijk, er führt die Außenwelt und Innenwelt à la Descartes (res extensa – res cogitans) ein und ordnet sie dem Verkehrungsspiel in der Weise wie schon angeführt zu, nämlich dass die Außenwelt in Finsternis versinkt und es in der Innenwelt hell und licht wird. So etwas wie die Wunschvorstellung à la Aristoteles setzt allerdings zugleich für den von der Arbeit wegtretenden Menschen folgerichtig einen thermodynamischen Schlusspunkt: Maschinenbetrieb und künstliche Intelligenz lassen den Menschen von der Arbeit wegtreten und ihn verblöden und die verschachtelte Außenwelt undurchsichtig werden. Die Frage nach der ontologischen Differenz stellt sich, nach dem opaken Ich und seinem Wert tut sich auf. Wer denn zu sehen weiß, hört es jetzt schon klopfen und andere, in der Mehrzahl, werden wohl kafkaesk und in Hilflosigkeit aufwachen. So könnte Sloterdijk den Gang der Dinge verstanden haben. Dass diese dystopische Denkbarkeit im Fortgang hochtechnologischer Rationalität besteht, sei in der Ambivalenz der Mittel von Fluch und Segen unbestritten. Es vermöchte Bernhard Waldenfels dagegen aufzutreten und andere Erziehung einfordern, die den humanen Geist zu mobilisieren vermag, allerdings, das fehlt auch bei Waldenfels, es wäre die dem Menschen eigene Vernunft für die Wahrheit des Ganzen noch erst zu entdecken. Descartes zuckte noch davor zurück, Gott, der doch auch ein böser Geist sein könnte, schon durch die Gabe der Vernunft zu ersetzen. Evolution und Entwicklung des Menschen fehlten noch dem Wissensstand, lagen für erkennendes Hinterfragen all des Vorherigen noch brach.
Es zeigt sich Sloterdijk, was die Entwicklung des Menschen angeht, nicht philosophiegeschichtlich offen, als hätte der griechische Olymp keine Vorgeschichte, was die Bewusstseinsbildung angeht, parsisches Denken des lichten Ormuzd und des finstereren Ahriman. Hegel hätte ihm hier übrigens Himmelsleiter sein können, und zwar mit dem Verweis auf den Anfang des Einen von Sein und Nichts im Menschen selbst. Es tickt zugleich die Uhr des sich entwickelnden Lebens wie des absterbenden Lebens, jedes Jahr vom Metermaß einen Zentimeter weniger. Gegen das blühende Leben das sich durchsetzende Unsichtbare als alterndes, verstockendes und dahinwelkendes Leben. Ich lasse den weiteren künstlichen Vorbau aus, der einen Bezug im Hinblick auf das Höhlengleichnis aufscheinen lässt und gebe kurz einen Aufriss zu den sogenannten intransparenten Größen einer Invasionsgeschichte von Dopplungen, die auf der Seite der Außenwelt wie auch auf der Seite der Innenwelt eintritt. Vereinfacht die Entwicklung: Im Kopf wird es immer heller und genialer zum Kopfwesen und es lässt Stephen Hawking grüßen, in der Außenwelt entschwindet ihre Lebensfülle und nehmen die finsteren und undurchsichtigen Einschachtelungen zu , versteht der Mensch die Welt nicht mehr, die er selber im Wesentlichen durch Kopfarbeit hervorgebracht und verschachtelt hat. Was doch das Gattungsvermögen der Intelligenz durch ihre Akzidenzen der Substanz nicht alles zu realisieren vermag!
Mit Blick auf das Höhlengleichnis, wird im Interpretationsverhalten bei Sloterdijk ein negativer Entwicklungsstrang der Kopfwelt ins Feld geführt, der nicht mit dem Erreichen der Sonne, der Idee des Guten oder des lieben Gottes die Dinge in einem rosa Licht zeichnet. Dieser Impuls ist wichtig, aber wird Interpreten des Höhlengleichnisses nicht aus dem Text allein heraus zu überzeugen vermögen, die, unerfahren, getrieben oder gelockt, aufwärts zur Sonne ihren Weg nehmen, hin zur Idee des Guten. Auf diese Notwendigkeit erkennt Sloterdijk auch nicht, wie seine Ausführungen mit Blick auf „Anthropogene Inseln“ in „Sphären III“ wie auch das Buch: „Im Weltinnenraum des Kapitals“ nachvollziehbar machen, worum es ihm zu tun ist, was ihn mit weltrelevanter Wucht für eine neue Weltwahrnehmung und für eine notwendige Bewusstseinsaufarbeitung der subjektiven Bewusstseinswelt getrieben hat. Seine Ausführungen in Bezug das Höhlengleichnis zu einer „Geschichte der Undurchsichtigkeit“, sie sind nur gärige Momente zu einer neuen und kritischen Bewusstseinsebene und wie auch zu den vielen Ich-Vorstehern und den ihnen zugehörigen undurchsichtigen Schachteln gewesen. In Zuordnung auf Hegels Philosophie wäre Sloterdijks raumzeitliches Reflexionsstück der Aufarbeitung der „Philosophie des objektiven Geistes“ einzuordnen und näher den anthropologischen und phänomenologischen Reflexionen zuzuordnen. (Enzyklopädie III)
In gebotener Kürze die fünf typischen Figuren, die Sloterdijk ausgiebig und detailreich für Denkanstöße in die Nachdenklichkeit gibt, sich der wachsenden Undurchsichtigkeit bewusst zu werden.
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Grab
Totenkult hält das Bewusstsein für die Gabe der Erinnerung wach, durch Grabstätte, Wissen um Hades und Himmel und andere Orte des leiblich Entfleuchten. Es gibt so viele Grabgeschichten, Motive, Gräber öffnen zu wollen, irgendeiner Sache hinterher.
Sisyphus oder das letzte Hemd hat keine Taschen, auch große Schatten der Dahingeschiedenen, der Denkmäler, der Völker und Kulturen, der Weltwunder, sie verblassen und entschwinden, sind vergessen, spuken nach, suchen heim, tauchen reflexhaft auf, geben sich nicht zu erkennen, beschäftigen Forschung, Spurenresten nachzugehen.
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Körper
Körpergeheimnisse und Leichensektion oder Interieurkunde ohne Selbsterkenntnis in der Neugierbefriedigung. Unterschiedliches Werkbewusstsein bei Frau und Mann, sich fortpflanzend und vermittelnd von einem Körperkasten in andere, Schoßentsprossenene und davon männlich Schaffensbegabte, herkünftig alle für neu zu besiedelnde Schachteln mit Grabesperspektive.
Mit dem Körper ist es so, wie vor den Kopf gucken, hinter die Stirn schauen geht nicht. In den Körper hineingucken, eine Sache für das Messer, für den Schattenleser eine Sache mit dem Röntgenapparat, kartographisch mit vielerlei anderen technischen Geräten.
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Buch
Bücher des Lebens, die auf das Schlussbuch voller Erwartung hoffen lassen, zu große Buchstabenmalerei, verdichtend das Weltwissen bemühend, gar verkleinert auf Speicherchips gebracht und noch immer nicht die apokalyptische Erwartung angesichts solch differenzierter Informationslage abgestellt.
Was Bücher mit sieben Siegeln an sich haben, die in Wort und Bild Vergangenheit einholen, kollektive Kommunikation einholen und Zukunftsvorstellungen schaffen können, was jedoch kein Nürnberger Trichter als Input für wünschbaren Output zu leisten vermag, wofür Menschen auch nicht gemacht sind und der Minicomputer Kopf zu klein ist, um den wissenschaftlichen Bücherberg für die Innenweltausstattung zu bewältigen und selbst die äußerste Leistungsstärke eines genialischen Kopfes überfordert wäre.
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Bürokratie
Staatsverwaltung als Monster einer Riesenbuchführung für das Funktionieren des ganzen staatlichen Apparats, jedoch wem zu Nutz und Frommen? Eine Daueraufgabe des staatlichen Turmbaus mit volatilem Bienenpersonal für sachliches Reparieren, fortschreitende Neuerungen und menschliche Schwächen. So die strukturierte Unterstellung des verschachtelten Gewimmels für die Wahrscheinlichkeit eines rationalen Zusammenhangs.
All das, was das staatliche Gemeinwesen an Administration, Behörden und Ämtern, an Institutionen, Körperschaften, Organen und Gremien hat, wer blickt da noch durch, was Zusammenhänge und Details betrifft für ein funktionierendes Ganzes angeht? Was sagt das über administrative Ratgeber der Politik aus, die selber des Rats bedürftig sind und für die Politik ausfallen und dass deshalb Rat von anderswoher eingeholt werden muss? Man vermag die Situation in gewisser Weise zu verstehen, wie von Schildbürgern ausgeheckt und ihnen widersinnig ausgesetzt und auch schicksalhaft ausgeliefert.
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Komplexe Maschinen
Nach Grabesdunkel wie Frauengeheimnis, Buchzauber und Staatsministerium die digitale Welt: Automatisierung, Roboterisierung, Kybernetisierung. Künstliche Intelligenz als Zauberwort. Sich überflüssig machen. Der Schlusspunkt: „Sei klug, sei ein Idiot. So lautet die Maxime der neuen Ethik-Box.“
Smartphone, Computer, digitales Weltnetz, infrastrukturelle Rechneranlagen, Datenspeicheranlagen künstliche Intelligenz, hochgebildete Algorithmen-Intelligenz für Umwelt, Wirtschaft, Verwaltung, Gesellschaft, Staat, Wissenschaft und Militär als höchste Elite. Gehören wir uns noch selbst? Liegt nicht Selbstentfremdung total vor? Wozu leben wir noch? Was Sklaven genommen worden ist, delegieren wir, einem schleichenden Prozess anheimgegeben. Wer oder was sediert uns, dass wir sehendes Auges immer größere Abhängigkeiten und wachsende Undurchsichtigkeit hinnehmen und uns der Weltmaschinerie – von allen guten Geistern verlassen – vernunftlos ausliefern?
Platons Spiegel vermöchte im Vergleich nicht viel an Schattenwelt einzubringen. Alte Götter-, Kriegs-, Helden- und Schicksalsgeschichten. Einschlägig bekannt die menschlichen Leidenschaften, die Stoff vieler Geschichten sind, so unbekannt und sprachlos bleiben dagegen seelische Regungen der Gefühle und Empfindungen, die Menschen zu schaffen machen. Abhärtung und Raunen stehen gegen das Weichliche und Zärtliche. Bekennendes und Brauch bestimmen das Zusammenkommen und die Freundschaft. Im Wasserspiegel sieht sich der Mensch äußerlich. Und er selber schaut in sich hinein, was als Inneres da zum Äußeren gehört. Theater hält dem Publikum den Spiegel hinsichtlich der zwischenmenschlichen Beziehungen, maskenhaft typisiert, vor Augen. Mit der Bücherwelt ist es auch (noch) nicht weit her. Lesen und Schreiben und Kommunizieren betrifft nur eine kleine Gruppe von Gelehrten. Und Platon selber ist schon der Superlativ an Stringenz und Schlüssigkeit im Wissen auf Höhe seiner Zeit und weit darüber hinaus.
Was an „Platons Spiegel“ im Hinblick auf das Höhlengleichnis gefehlt hat. Es ist die unzureichende Wahrnehmung von stringent entwickelten Knotenpunkten, die vom Mythos zum Logos, und vom Dialog zur Dialektik der Teile des Ganzen führen. Es geht um „Bilder“, mit denen BILD-UNG zu tun hat. Bloß den Text des Höhlengleichnisses voranzustellen, kommt für Interpreten dem Angebot zu einer Bruchsteinmethode gleich: « Sers-toi!“
Ausgangspunkt sind die Schatten in der Höhle, es sind die Schatten an der Wand tagsüber wie nachts, körperlose Schemen, flächig, gänzlich unbestimmt, Komplexeindrücke wie Schatten, die nichts Näheres zu erkennen geben. Alles geht ineinander über. Sie entziehen sich ohne differenzierte Wahrnehmung dem Bewusstsein. Erst Tiefenpsychologie sucht Unbewusstem auf die Spur der Schatten und auf das einen Abdruck Hinterlassene zu kommen. Für Platon ginge es um Wiedererinnerung, um einen aufblitzenden Reflex aus dem Verborgenen, der an ein ehemaliges und überhimmlisches Leben zu erinnern sucht, was ja nicht falsch wäre, wäre damit – rein positiv gesehen – eine glückliche Kindheit im Sonnenschein der Eltern gemeint. Für die griechische Antike hätte das nach unseren Vorstellungen keine große Wahrscheinlichkeit.
Die Schatten im Licht, also bloß äußerliche Ansichten geben keine näheren Merkmale her, aber eines ist im Vergleich zur dämmrigen Höhle anders, denn zum Schatten gehört nun ein Körper, der das Licht nicht durchlässt, sondern nur an sich vorbeilässt. Wir kennen etwas oder jemand äußerlich, körperlich, aber das Interieur kennen wir nicht.
Die Spiegelungen im Wasser verweisen direkt auf die Dinge, kein nichtsbesagender Schatten zeigt sich, sondern die Dinge zeigen sich abbildhaft als selbständige und unterschiedliche, farbig, vielleicht sich teilweise verdeckend, aber doch als gefügter Zusammenhang. Als Selbstspiegelung zeigt er jedem sein Äußeres, dem es, als verborgene Innenwelt zugehört. Das Wahrheitsproblem stellt sich. Gespeicherte Abbilder stimmen mit der Wirklichkeit überein, dann nicht mehr überein, es sei der Mangel an Übereinstimmung, dadurch jeweils bedingt, dass das Abgespeicherte im Gang der Jahreszeiten oder im Fortgang des eigenen Lebensalters der tatsächlichen Veränderung nicht mehr entspricht.
Die Dinge selbst, die der Wirklichkeit, im Bild repräsentiert, zurren die Sprache fest. Was die Dinge der Sprache sind, ist das, was die Wörter bildhaft dem Sprecher und Hörer oder dem Schreiber und Leser vorzustellen geben und das Bleibende in der Wiederkehr des Gleichen sind. Zum Wort gehört das, was das zugehörige Bild uns zu verstehen vorgibt und was daraus folgt. Zahlenwelt ist der Sprache eingeordnet. Das Mündliche, sehr beweglich und veränderlich, gerät zugunsten des Einheitlichen und Feststehenden unter die Vorherrschaft des Schriftlichen und Datierbaren. Es soll keine Sprachverwirrung sein. Es geht um eine verlässliche Sprache, um festgesetzte Auffassungsweisen.
Mit den Spiegelungen des Himmels im Wasser geht es weiter. Karten respektive Skizzen als Abbilder vom Sternenhimmel entstehen, ebenso Konstrukte, das Tagesgestirn auch im Jahreslauf und den Mond im Phasenablauf regelgewiss und nachvollziehbar zu erfassen. Himmels-erscheinungen werden wie in der Höhle hintergrundlos und unmittelbar erfahren, nämlich als das ewig Gleichbleibende und als das Vergöttlichte – als unbegriffene himmlische Wirklichkeit, die wir heute prothesengestärkt erweitert und vertieft wissen.
Was wir himmelskundig über uns selbst zu wissen gelernt haben, nämlich dass wir in unserem Kopf ein Tagesspeicherareal für bildliches Verstehen zum Zwecke der Besonnenheit haben, ebenso ein Nachtspeicherareal für strukturelle Einordnung zum Zwecke der Orientierung, beides zum Gebrauch für und durch Handlungsdenken bestimmt und dem Überdenken aufgegeben. Besonnenheit lässt uns die Dinge und Beziehungen klar und deutlich erkennen. Orientierung richtet den Willen als Weg zum Ziel aus, Vernunft steht dem Vollzug des Erkannten und Gewollten vor.
Schlussendlich ein methodologischer Mangel, der für die gegenwärtige philosophische Zunft, soweit ich ihr begegnet bin, prinzipiell gilt. Es ist an der Zeit, dieses Defizit zu monieren und die methodologische Gedankenlosigkeit wieder ins Bewusstsein zu heben. Eine Diskussion zum Phänomen „Paradigmenwechsel“ hat stattgefunden, aber nicht über das Strukturelle und Prinzipielle selbst. Veränderungen geschehen immer, wie das Leben, so erneuert sich auch die Welt, überholt sich Wissen, wird hinzugelernt und umgelernt, Revolution fasst die Wende, den Wechsel, die durchdringende Neuausrichtung des Ganzen treffender, die alle Teile erfasst und in neuer Weise funktionieren lässt. Hegel kann für die intelligible Gedankenwelt als Begründer der Vergewisserung des geistigen Standpunkts und der Rechenschaft darüber angesehen werden. (Enzyklopädie I) Das Höhlengleichnis hat mit der Ausgangslage zu tun, wäre sozusagen Vorgeschichte in Auseinandersetzung mit dem Mythos auf dem Weg zum Logos.
Wie bei Sloterdijk das Höhlengleichnis von einer spontanen Unmittelbarkeit im Zugriff bestimmt ist, so auch sein großes Werk: „Sphären I, II, III“, dem der methodologische Mangel anhaftet. Es fehlt schlichtweg die Selbstreflexivität des geistigen Standorts. Sloterdijk ist nur unmittelbar, schrittig. Das Individuelle macht den Anfang: Blasen; das Expandierende den Fortgang: Globen; das Nichtige den Ausgang des Anfangs: Schäume. Sisyphus lässt grüßen! So liest sich auch der unerleuchtete Beitrag „zur Geschichte der Undurchsichtigkeit“. Menschen in der Gefahr der Verblödung. Sloterdijks blinder Fleck, der metaphorische Artist in ihm, von Methodologie ungeküsst. Mit dem Höhlengleichnis hätte er die Möglichkeit gehabt, das ihm eigene Talent im Metapherngebrauch „metaphorologisch“ zu durchdringen und im Stellenwert der Gedanklichkeit zu bestimmen und einzuordnen. Das analoge Denken bleibt reflexiv im Hinblick auf Notwendigkeiten und Möglichkeiten wie auch in der Grenzziehung ungeklärt liegen.
Impulse, die vom Höhlengleichnis ausgehen: Es geht um den Aufstieg des Menschen vom Instinkt in die Welt des Bewusstseins und der intelligiblen Gedanken. Hegels „Wissenschaft der Logik“ geht nicht mehr vom Instinkt aus, sondern vom Bewusstsein und verständigt die historische Entwicklung und Stellung der Leitgedanken, die das Bewusstsein bestimmen. Bewusstseinswenden, die als logozentrische (Anaxagoras, Platon, Aristoteles), theozentrische (Augustinus, Thomas von Aquin, Luther), kosmozentrische (Demokrit, Kopernikus, Newton)und anthropozentische Wende ((Kant, Schelling, Hegel) historisch im philosophischen Denken eingeordnet werden können. Pointiert stößt Marx im „Kapital I“ das Basisproblem unserer Zeit an, und zwar den Stoffwechselprozess des Menschen mit der Natur, die als „Naturmacht“ angeführt wird, wodurch eine Dreier-Konstellation von Teilwirklichkeiten konstituiert wird, die es vernünftig zu handeln gilt: Natur – Welt – Mensch.
Was Hegel in Bezug auf Instinkt und Mythos in der Logik nicht mehr gelten lässt, aber noch in die „Phänomenologie“ hineingenommen hat, ist Thema des Höhlengleichnisses, der Aufstieg des Menschen vom Instinktverhalten zur Steuerung durch das Bewusstsein, weg von blinden Reflexen, hin zum Erkennen von Schatten über die Spiegelungen zu den Dingen der Sprache und fort zu den Kartenbildungen bis in den denkenden Kopf hinein, der mit diesen Repräsentanten in erfahrener Weise umzugehen versteht. So wäre die Lesart des Höhlengleichnisses, wesentlich von der Metapher, dem Bildlichen getragen und interpretiert.
Sloterdijk weicht über ein polaritätsbestimmtes Denken einer organischen Entwicklung des überkommenen Bewusstseinsstandes für daraus zu schöpfende Notwendigkeiten und Möglichkeiten aus, geht von einem Dual aus, der theologischen Black Box und der wissenschaftlichen White Box. Der Zugriff, was die kritische Betrachtung angeht, zuhöchst aufschlussreich und sollte Theologie und Wissenschaft zu schaffen machen. Mit Blick auf die Theologie, die von einem unerkennbaren Gott ausgeht, ordnet er diesem Denken folgerichtig die Black Box Gott zu, ein Gott dergestalt, der die Legitimation für gläubiges Nichtwissen und blindes Umhertappen ist und die dem Menschen gegebene Gabe der Vernunft das Supremum verweigert, sich als gebildete, kommunikative und denkende Vernunft im Bewusstseinslicht herausgefordert wissen zu müssen. Was die Wissenschaft als Erhellung, Erleuchtung und Inspiration für Leben, Gebrauch und Gelingen anzubieten hat, sollte in systematischer Aufarbeitung nicht weniger relevant sein. Ihr sich zersplitterndes Vielwissen, das aus allen Nähten der Lebenswelt geplatzt ist und zur Wissensbegierde der Staaten für eine bloß erfolgreiche respektive „souveräne“ Selbstbehauptung geworden ist. Staaten, die sich weltweit wie in einem anarchischen Paradies tummeln, Wissenschaft, die sich unfähig zeigt, derart das Weltganze der Teile in sachlicher Schlüssigkeit zu erkennen und in den wichtigen Interessen der Völker zu klären und zu einen menschheitlichen Willen schmiedefähig aufzubereiten und vernünftige Wege zum Ziel abzustecken. Stattdessen die wissenschaftliche Exponierung sich überschlagenden Modernisierungen im Kampf um die Spitze verschrieben hat, auf Hochtouren nach Exzellenzen läuft und zugleich die Verblödung des Menschen auf dem blauen Planeten äußerst intelligent, hochrational und schicksalsträchtig hilft voranzutreiben.
Zur Herausforderung: Wissenschaftlich ginge es jedoch darum , nicht verantwortungsblind den anreizenden Forschungsmitteln hinterher, sondern hellsichtig um die Stellung des Gedankens, der das Denken universell anzuleiten hat, sei es vom Wort, der Natur, dem Menschen und vom Ideellen des Ganzen her. Letzteres insbesondere die Aufgabe der begreifenden Philosophie ist, von der her die Vernunft substanziell auszuweisen und zu inthronisieren und als Weltvernunft zu konzertieren und für alle kommunizierbar zu verlebendigen ist. Können wir Politikern weniger abverlangen, nämlich dass sie klar und deutlich reden und ihr Programm der parlamentarischen Arbeitsteilung gemäß einbringen und vertreten, dass sie um die natürlichen und zu schützenden Lebensbedingungen der Erde in ihren Unternehmungen wissen und dass sie die universelle Menschenwürde unteilbar in ihren Ausgriffen auf die Menschheitsfamilie nicht nur zu respektieren haben, sondern auch aktiv zu wollen haben und schließlich dass sie prozessual das zu verantwortende Ganze nicht nur bestimmen und absegnen, sondern auch begleiten, es vergewissern, unter Kontrolle halten und es pars pro toto in jeweiliger Wirklichkeit vernünftig in den Realisationsschritten handeln? Wie sollen Politiker vernünftig handeln können, wenn Wissenschaft und Philosophie wie Blinde umhertappen, sich der Stichhaltigkeit entziehen und keinen Diskurs der Beteiligten zu führen vermögen, um den ideellen Leitbegriff des Homo sapiens in seiner Aktualität standardmäßig abzurufen und ihn als Allgemeingut in die Köpfe der Menschen, die zu kritischer Publikumsfunktion berufen sind, zu bringen?
ANNOTATION
Vernunftbegriff à la Hegel als reelle Verständigung darüber, wie Vernunft aufzufassen ist.
Nominaldefinition
Vernunft, die sie als Vermögen der ganzheitlichen Übereinstimmung der Teile in Wahrheit und Bewahrheitung ist.
Ausgangspunkt: Descartes
Ich als tätiger Relator seiner gewussten Schnittmengenerzeugung von res extensa und res cogitans, die es als Angeschautes und Anschauendes ist.
Fortgang zur Entwicklung der objektiven und subjektiven Urteilskraft:
Was das Ich noch nicht weiß, dass es zunächst nur rein objektiv auftritt, als Bewusstsein, noch nicht das Selbstwissen seiner als Ich ist, als Wir, als Wissende, und zwar von den Dingen der Begierde und dem Selbst des Empfindens, als Selbstbewusstsein.
Erschließung zur ersten ganzheitlichen Vernunftgestalt
Vernunft, die das Ich als Wissen beider, des Objekt-Ich und des Subjekt-Ich zum Gegenstand der Übereinstimmung der Teile in sich wahrheitsgemäß als Handlungsfreiheit bestimmt und sich naturbeobachtend und selbstbeobachtend verbunden als kollektive Handlungsgestalt auslegt.
Von der kollektiv erschlossenen Erfahrungsgestalt geht es fort zu geschichtlichen in sich geschlossenen Wissensgestalten und ihrer geographischen Ausweitung und anthropogenen Vertiefung und von diesen zum absoluten Setzungswissen von Wissenschaft der Logik, Naturphilosophie und Geistesphilosophie, hier prinzipiell zurückgebunden auf das Allgemeinverständnis der Nominaldefinition und den sich daraus entwickelnden besonderen Realdefinitionen und der schlussendlich enzyklopädisch aufgebotenen Zusammenführung für die Selbstüberholung und den „Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“.
Insofern Peter Sloterdijk gegen die Gefahren der Verblödung schreibt, dürfte er gegen das vernunftgeleitete Fortschrittsdenken für eine neu und reell zu erreichende Gestaltungsebene einer planetarisch und menschheitlich zu meisternden und zu beherrschenden wie auch menschenwürdig befriedet zu schaffenden Weltordnung keine Einwände haben, wenn ihm dazu keine Alternative einfällt. Sich bloß der Verblödung anheimzugeben wäre nicht akzeptabel.