Lichtwerdung und Sichtung des Weltbewusstseins
III/III
Im Fortgang des Lebens wird so vieles vergessen, sogar zuhöchst Relevantes kann in größte Verlegenheit bringen, wird plötzlich die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt und um eine vernünftige Antwort gebeten. Junge Leute haben in der Regel kein Problem damit, eine Antwort zu geben, die ganz einfach ist: Leben wollen! Schon Kinder wissen um elektrisierenden Kult, gehen auf in Sinnen und Trachten, um ihren Heißhunger auf das Elektrisierende zu stillen.
Was Wollen heißt, davon kann, was Wille heißt und bedeutet, noch nicht die Rede sein. Es ist der Lebenstrieb selbst, der sich auf Reize meldet und schon für „Wollen“, für den Willen genommen wird, trotzig, bockig, heulend, aggressiv: Ich will! So ganz falsch ist die expressive Äußerung nicht, meldet sich doch der Keim des Willens an. Es geht um Dinge, die ins Auge gefallen sind, nicht mehr bloßer Reflex sind, sondern zur Zielgröße werden und den Willen zum Ziel, diesen Transporteur der Verwirklichung, entschlossen und entschieden, in Gang setzen. Die Vernunft schickt jedoch dem Wollen und anhebenden Willen das Erkennen voraus, nämlich auch näher zu wissen zu sollen, was da gewollt wird und wie man denn irritationslos zum Ziel kommt. Klar, dass solche Antwort auf die Frage nach dem Sinn nicht befriedigt und zu platt daherkommt. Nicht zu Unrecht, denn es geht um die ersten und die letzten Dinge. Vermutlich weniger um die ersten Dinge, aber doch schon, auch schon vom ersten Weh eines „Weggangs“ lieber Menschen getroffen, um den Tod, der Leben beendet, ihm ein Ende setzt, vertreten durch die Angst, den befürchteten Verlust, die drohende Negation der hochgeschossenen Begehrlichkeit, sozusagen schon mit dem Ende konfrontiert, kaum über den Anfang hinaus. Auch der unbeherrschte Wille ängstigt, der losgelassen worden ist, der sich jeglicher Zwinggewalt widersetzen kann und wie blind der eigenen Kraft ausgeliefert ist. Aus der Vogelwelt der Falke, auf erspähte Beute aus, wie ein Katapultgeschoss hinunter, im Sturzflug bis zu 400 Stundenkilometer. Durchaus ein mentales Trainingsmuster für den Einsatz an Energie, die der Wille des entschlossenen Menschen für den Transport des Vorsatzes ins Ziel bringen kann. Man hat den Hochleistungssport im Auge, der mit Blick auf Spitzensportler diese Willensanstrengung bis hin zum Äußersten im Kampf um den Sieg kennt. Wenngleich auch moderater, sollte eine echte Willensanstrengung, was Herausforderung vernünftiger Politik betrifft, nicht fehlen und nicht in der Weise, als ginge es bei jeder Gelegenheit noch darum, die Kraftlosigkeit, das Verschieben oder den Unernst der Entschlossenheit mit Verweis auf die nächste Wahlperiode oder auch mit Öffentlichkeitsentzug zu demonstrieren: „Wir können das!“ Wenn der Unernst auch noch den Rechtswillen selbst träfe, ist das Recht tot und die Beliebigkeit der Willkür regiert.
Der biblische Anfang schickt uns ins Paradies zurück und bringt den Baum der Erkenntnis und Gottes Stimme ins Spiel, welche die Stimme der Vernunft ist, die beiden geraten hat, sich mit der sinnlichen Liebe und dem Instinktgebrauch zu begnügen und die Finger von Kopfgeburten zu lassen, Einfälle und Gedankenblitze auszuprobieren. Die Sache ist ganz reell zu nehmen. Allerdings in Umkehrung, nicht neugierig nach vorn, sondern sehnsüchtig, von Träumereien ausgemalt, zurück, zum verlorenen Paradies, zu Spielwiese und Schmetterlingsspielen. Vereinzelt nachwirkende Reflexe heute unter modernen Lebensbedingungen, gleichsam Erinnerungen mit Aufforderungscharakter: Wir Menschen könnten uns noch immer erleben und erfahren unter dem allväterlichen Himmel der Gestirne, von heiterer Tagessonne und Sternennacht umgeben, tagsüber zu besonnenem Tun angehalten und nächtlich sich wegweisende Sternenorientierung durch Nachdenken angelegen sein zu lassen. Es ist nicht abgesunkene Poetik, gerade noch gut genug für Kinderbücher, solche Hinsicht zu vertreten: Dem himmlischen Vater in Liebe verbunden ist die Allmutter Erde, die beide ihrer Liebeslust im Jahreslauf nachgehen, ihre gemeinsamen Kinder im Aufwachsen begleiten, die in malerischer Landschaft der Erde hineingewachsen sind, dort den Kreislauf der Jahreszeiten durchlaufen, dort gezeugt und geboren worden sind, das Licht der Welt erblicken, ihre Lebenszeit, ihren Alltag haben und sterben und verwesen und wiedergezeugt werden, schon seit Jahrmillionen von Jahren. Es wird durch solche Sichtweise auf wunderbare Weise das Urvertrauen als anhebendes Lebensgefühl in der Welt erwirkt, aber auch als beglückendes Stillwerden und Aufgehobensein, hier die letzten wärmenden Strahlen der Sonne, da die freundlichen Gestirne des Nachthimmels zum Abschiedsgruße, die hinter nachtschwarzer Wolkendecke verschwinden und zum Schlaf einladen, sich zu lösen, von Bildern, Lauten und Gedanken zu lassen und sich ganz und gar für den letztendlichen Übergang frei zu machen.
Animismus und Pantheismus geben eine erste authentische Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, nämlich im Einklang mit dem wegweisenden Himmel und den Jahreszeiten der Erde zu leben. Das Sinnliche der Seelenverwandtschaft: Die rauschenden Quellen erzählen, sie sprudeln ihr Wissen wie Singsang hervor. Es weint der harzende Baum. Der Himmel lacht. Die Tiere sprechen und Blumen wetteifern mit ihrer Schönheit und Eitelkeit. Schnee kündet als Leichentuch Verwesung und noch verborgene Fruchtbarwerdung. Das Abstrakte, vom Gedanken Bestimmte und Formsuchende: Sie sind des Menschen „Ein und Alles“, identisch, intelligibel aufgefasst, entzweit, sinnlich wahrgenommen: der lokale Horizont und die Menschen dieses Lebenskreises darin, die einander „wahrnehmen“ im vollen Sinne dieses Worts. Horizonte verschwistern sich zu nachbarschaftlichen Gegenden, Menschen gruppieren sich zu Kollektiven, ein Auseinandertreten, ein Erweitern und Vertiefen von Welt gewinnen. Und immer wieder findet Erleben statt, alle Jahre wieder, wunderbar erlebt, schaut die Seele Gott als Urheber in allem. Mehr inhaltlich: Es stäubt Frühlingsblüte, mondeshell die Nacht, wecken laue Lüfte Sehnsucht und Wünsche der Begegnung, reifen Sommerfrüchte, treibt Arbeit den Schweiß hervor, geht der Blick zum Sternenhimmel, lässt innehalten, es flüstern Liebende nach der Tageslast, von Traumbildern entzückt, Herbstwinde wehen, rauschen durch die Baumkronen, jagen und zerreißen Wolken am Himmel, die den Mondstrahl behindern, in der Wiege das Sternenkind, erstarrt die Winterlandschaft, das Licht der Sonne gibt sich kalt, es leuchtet Menschen innerlich ein anderes Licht unterm Tannenbaum.
Wir Menschen, zwischen Himmel und Erde gespannt, das vernunftbegabte Leben, über Flora, Fauna hinaus, auf dem Meer, zu Lande und in der Luft auf Machtzeichen hinaus, Fuß gefasst oder den Fuß hingesetzt zu haben, vom Lebensfeuer zwischen Mann und Frau gezeugt, im Mutterleib den Lebensinstinkt gewonnen, das Leben, aus der Nacht des Mutterschoßes kommend, als Lichtwerdung das Leben begonnen und elterlich auf den Lebensweg des Lebensbaumes der menschlichen Gattung gebracht, gehegt und gepflegt, um eingewöhnt und lebenstüchtig zu werden. Menschen haben drei Lebenszeiten, als junge, erwachsene und ältere Generation. Jeder Lebensabschnitt hat seinen besonderen Lebenswert, der an den Jahreszeiten kontemplativ verinnerlicht und genossen werden kann. Eine Art Reißverschlussverfahren in der Verstetigung, aber auch eines versetzten Ineinandergreifens des Lebens, der Kontinuitätslinie. Kinder müssen noch alles lernen, Eltern sind selber Kinder gewesen und verstehen von daher, Korrektiv in der Aufzucht zu sein, Großeltern, die sich selber als Eltern erlebt haben, können sich verständig und erfahren für Eltern und Enkel einbringen. Es ist ein unendlich sich fortwindender Lebensprozess der Generationen. Haben wir dieser Menschenerfindung, heutzutage über das Tierreich hinaus, entsagt oder sind wir im Begriffe uns davon loszusagen, auf Kernfamilie und Wohnzelle, keine drei Generationen mehr unter einem Dach, geschrumpft?
Der Fluch der Arbeitswelt, die Bildungsnotwendigkeit und die Selbstverdinglichung in der organisierten Gesellschaft überhaupt entfremden dem menschlichen Lebensbaum und spannen ganz neu den Menschen für den Baum der Erkenntnis ein. Den Liebenden des Vertrauens gesellen sich die Tatkräftigen des Verstandes und Denkenden der Vernunft hinzu, die einander nicht mehr unmittelbar erkennen, sondern als je eigentümlich gewordene Lebensgeister mit Innenleben, selten nur noch ineins zu haben: Kopf, Herz und Hand. Es ist allerdings wie bei der Weitergabe des Lebens, was die angestrengten Früchte vom Baum des Lebens angeht, die erkennen lassen, was aus dem Zusammenspiel geworden ist, ob es harmoniert hat. Es gibt die Jünger, die Meister und die für Rat und Tat gesuchten Altehrwürdigen. Das bloße Herrentum, was Status und Rang angeht, hat weitgehend als herrische Willkürmacht ausgespielt. Auch die religiösen Oberhäupter, den weltlichen Mächtigen verbunden, sind geistlich abgesunken und haben maßgeblichen Einfluss auf den Geist der Welt verloren. Staatswirklichkeit, mehr oder weniger ausgereift, übergreift alle Menschenwelt und es geht um Rollenvorgaben in Sachfunktionen. Hierarchisch geordnet: Element, Klasse, System. Das Ganze, gleitend oder periodisch, der Selbstüberholung, unentwegt im Fortgang des Lebens, ausgesetzt.
Zu kleinteilig und ohne leuchtende Farbe, ein bloßes Gedankennest und noch kein zureichender Impuls auf den nachgesuchten Lebenssinn, nämlich fortgesetzt dem Leben in der Natur und unter den Menschen zu begegnen, es lebendig auf sich wirken zu lassen und, wie in der Natur so auch unter den Menschen, sich erkennend und anteilnehmend zu verhalten. Durchdringendes ist gefragt, das den Alltag an die Hand nimmt, ihm auffrischende Tönung und Farbe gibt, die Seele in Schwingungen versetzt: Einbruch der Romantik, der wiederentdeckte jahrmillionenalte Instinkt als Gefühl und poetischer Sprachtrieb und musikalische Urweise des Anklingenden ästhetisiert den Menschen. Novalis und Schubert, die blaue Blume und der aufweckende Sonnenstrahl, ein Ave Maria oder die Serenade. Lebenssinn anders erfragt: Was geleitet uns durch das Leben, richtet uns aus? Naturwelt: Schwingen wir anteilnehmend mit, lassen uns durchschauern, von ihren Blickfängen und Hörweisen ansprechen, vom Sternenhimmel zu Gedankenflügen entführen? Menschenwelt: Sie an ihren Plätzen aufsuchen, dort verweilen und das Hin und Her beobachten, gleich einem Künstler, auf sinnfällige und treffende Motive hinaus, die Vorüberziehenden in den Auffälligkeiten und kleinen Ereignissen und Geschehnissen für das Gedächtnis selbstbereichernd zu speichern. Und ganz anders: Einfach sich treiben lassen, im Strom sich mitziehen lassen, sich im Geschiebe und Gedränge wohlfühlen, Schauspiele von Akteuren als Publikum zu umstehen, beifällig oder kritisch zu reagieren, überhaupt das Bummeln genießen, auch Haltung zeigen, hier behilflich, da ein Lächeln, dankbar ebenso zurück. Was für ein Reigen: Klein und Groß, Jung und Alt, Arbeitssame und Müßige. All dies von Jugend auf an, wir, die sammeln und jagen wie in unvordenklichen Zeiten und Erntezeit halten, den Herbst genießen und der Winterzeit entgegen.
Ach ja, wie konnte ich nur vergessen: Egotrip und kein Paarlauf. Dem eigenen Erkenntnisabenteuer verschrieben, ohne bessere oder freundschaftliche Hälfte. Wir Ignoranten! Eine Hälfte liegt doch immer im Dunklen, ist die andere Seite des Tages: Nacht. So auch der Mensch, was Mann und Frau angeht. Wir begnügen uns mit dem „Gesichtskreis“ und sprechen die Unwahrheit, denn eine Kreishälfte bleibt unsichtbar und wir denken sie auch nicht bewusst hinzu, sondern plappern nur gewohnheitsmäßig wie kleine Kinder, ohne wirklich verstanden zu haben. Wir nehmen die Erde in den Mund und haben eigentlich nur unsere Erdhälfte im Kopf, unseren Sommer, nicht zugleich auch den Winter am anderen Ende der Welt. Einige unserer Erdhälfte wissen am Sternenhimmel den Polarstern zu finden, vom Kreuz des Südens haben sie nicht einmal geträumt, wissen nicht, dass der Norden und der Süden die Sonnenbahn beziehungsweise den Tierkreis, die uns die Sternzeichen des Jahres für Deutungsfabulierer beschert haben, miteinander teilen. Wir könnten neugierig auf die andere Hälfte sein, sie unseren Gedankenflügen aufgeben, doch wir verhalten uns selbstbezüglich dominant: Mannomann! Und was für ein Geleit: Jahr der Natur, unser ungepflegtes Erleben der Naturbasis, Kirchenjahr, durch Geschichtlichkeit zur lebensfremden Absonderlichkeit von Gespinstbezeugungen abgesunken, die Lebenshilfe suggerieren und doch nur selbstbehilflich sind. Lebensmetapher des Menschen nach Jahreszeiten erkannt, nicht mehr als ein Musikstück, dürftig und kaum über Ehrungen für zuhöchst Verdiente hinaus, tonal in Dur und Moll ausgelegt, das Ganze unterfangend, Lebensgeschichten beflügelnd und genussfähig ausgelegt. Medial ein willkürliches Durcheinander, wenig Sinn und Verstand und lebensdienlicher Stützpfeiler, als zeigte das Leben selbst auch bloß dieses Gemenge und Durcheinander oder billige Serie. Was für eine Fülle an Chancen, den Lebenssinn aufzufinden und ihn nicht nur zu suchen, Lebenswerte und gesellschaftliche Herausforderungen zu wissen und sich selbst und mit anderen auf dem Weg wissen. Noch mehr, das selbstbestimmte Verwirklichen zu leben, und zwar vom vernommenen Anruf her, was die Welt an Herausforderungen aufzubieten weiß. Es gibt nicht nur den Zauber des Anfangs, auch das saure Mühen, nicht nur die Mühseligkeit der Schritte, sogar das Happy End ist nicht garantiert. Auch das Ende kann bitter sein. In der Summe: Schönes an Dur und Moll will besagen, es gibt nicht nur das Himmel-hoch-jauchzend, vom Glück geküsst, von Freunden umringt, auch das Zu-Tode-betrübt, schmerzzerrissen, von Freunden verlassen. C’est la vie!
Für den geschichtlichen Überblick habe ich auf Yuval Hararis „Geschichte der Menschheit“ hingewiesen, der einen lockeren Aufriss wagt und auf frische und entrümpelte Blickfeldweitung aus ist. An dieser Stelle sei auch Pierre Teilhard de Chardin genannt: „ Der Mensch im Kosmos. Le Phénomène humain“. Das Buch ist um ein gutes halbes Jahrhundert früher erschienen, noch steif und trocken, wenig Angriffsfläche, ein schwerer Brocken für die Geister der Zeit. Er verfährt streng systematisch im Aufbau verwesentlichter Stufen und Ebenen der irdischen Entwicklung und der menschlichen Genese, naturwissenschaftlich orientiert, sucht schlüssig konstruktiv einen modernen Erkenntnisstand zu gewinnen und ist in den Schlussfolgerungen und in leichter Akzentsetzung „christlich“ eingefärbt, unproblematisch, nicht jedoch, vielleicht eine Art theologischer Hybris, die römisch-katholische Selbstwahrnehmung, als gäbe es keine kulturell-religiöse, sozio-ökonomische und staatspolitische Vielfalt mit erheblicher Geschichtsrelevanz in der Welt überhaupt. Und Weltreligion ist inzwischen als sich einordnender Anteil ein zu großes Wort. Die evolutionäre Makroperspektive mit Schneckentempo lässt die kleine überlieferte Fortschrittsgeschichte mit revolutionären Sprüngen zur Unwesentlichkeit gegen die kosmische Perspektive verschwinden. Gleichwohl findet Teilhard de Chardin zu Einsichten von Gefährdungen in Bezug auf Ressourcenerschöpfung und Bevölkerungsexplosion. Wesentlich scheint mir der Aspekt der menschheitlichen Selbsterfassung zu sein, die als Selbsterschlossenheit der Menschheit den Erdball umspannen wird. Die wichtigen Stichworte betreffen den „Geist der Erde“ und nennen dem menschheitlichen Sichaufsichselbstbeziehen die basalen Leitwerte: Humanität, Wissenschaft, Einheit der Seelen.
Wir wissen heute um die Komplexität der Kulturkreise und um die Schwierigkeit, nämlich zu einer Einheit der Seelen zu kommen, die ganz bestimmt nicht christlich und vornehmlich römisch-katholisch sein wird, in der Weise, wie die neuen Bundesländer in die deutsche Wiedervereinigung gefunden haben. Christliche Mission hat ja in alle Welt hineingewirkt, aber sie ist eindeutig weit unterhälftig, was ihr menschheitlicher Anteil an den Weltreligionen betrifft. Ihr ist geschwisterliche Verständigung mit allem Zoff unter den Familienmitgliedern zugemutet, nämlich die Orientierung an der Seele an sich, die um die Zeitlichkeit ihrer aktuellen Bestimmtheit weiß und für gemeinsame Vernünftigung und übergreifende Wertausrichtung ihrer hervorgebrachten Schätze grundsätzlich durch das unaufhörliche „Stirb und Werde!“ offen ist, offen auch für „Wiedergeburt“ abgelichteter Eigenschaften, vernünftig verstanden, auch wenn es mehr als häufig nicht so scheint beziehungsweise absurde Blüten treibt. Das Unbehagen an der schwierigen Überlieferung kommt nicht von Ungefähr. Kultusobliegenheiten, erstarrt, von Geistlichen betrieben, haben an schöpferischer Kraft verloren, sind zu einem gebieterischen Traditionsbetrieb mit dogmatischem Restbestand abgesunken, das sich mit großen Reibungsverlusten gegen den sich globalisierenden Lebensgeist festzuhalten sucht.
Der Schicksalsmotor für die Lebensverhältnisse der Menschen ist die Kriegskeule der Mächtigen gewesen, die auch heute noch als Atomkeule drohend alles überschattet. Doch der Krieg der Mächtigen hat Konkurrenz bekommen, die Karl Marx treffend als Bourgeoisie des Kapitals im „Kommunistischen Manifest“ skizziert hat, die mit der industriellen Revolution ungeheure Werke einer weltweiten Zivilisation in Gang gebracht hat und über neue Weltwunderwerke staunen lässt. So richtig Marx die materiellen Fortschritte analysiert hat, muss festgestellt werden, dass seine These von der „Bourgeoisie“ nur die halbe Wahrheit ist, wie der hochschießende Faschismus gezeigt hat, der das große autokratische Individuum zur Führerfigur auf den Schild gehoben hat, die gewissermaßen Ausreißer aus zerstrittenen Gruppenprozessen der Gesellschaft sind. Die in der Gesellschaft verankerten Kompromisskräfte, was die differenten Interessenlagen angeht, haben eine neue Gruppe ins globale Kräftespiel gebracht, und zwar die Staatspolitik und die durch Demokratie ausgeübte Macht ihrer gewählten Politiker. Das politische Bewusstsein selbst in der Staatenwelt ist zur herrschenden Macht im Guten wie Schlechten geworden und hat den sogenannten „Klassenkampf“ gesetzlich justiert und mehr oder weniger befriedet, ist aber international gegen das große Kapital wieder in eine Schieflage geraten und vermag ohne politisches Zusammenspiel der Staaten weder die großen Unternehmensführer noch Staaten mit Vormachtstellung zu bändigen. Wir sprechen hier von der pyramidalen Fortschrittsnotwendigkeit und ihrem Erkenntnisbedarf in Sachen großer Herausforderungen. Alle sind berufen, denn es geht um schicksalhafte Gefährdungen aller, doch nur wenige vermögen auf dieser Geisteshöhe zum Erkennen für Prozesse der Willensbildung und des Handelnkönnens beizutragen. Ökologische Probleme im Weltmaßstab fordern heraus, „internationale“ Diskrepanzen in den Lebensbedingungen halten Friedlosigkeit in Gang, die Komplexität der hervorgebrachten Welt ist voller Widersprüche und regelndes Eingreifenwollen stößt fortwährend auf Dilemmata. Wir sind von einer neuen Klasse der objektiven Weltmeisterung und subjektiven Weltbeherrschung abhängig geworden, von Politikern und Chefs und können sie nicht an einem Leitbegriff für ihr Tun und Lassen messen und wirklich in Verantwortung bringen. Sie stehen für Liebe und Hass in den menschlichen Beziehungen, sozio-ökonomisch für Wohl und Wehe des politischen Staates nach innen und außen, für Krieg und Frieden ihrer Bündniswelten und was den Fortschritt der Welt angeht. Zum Letzteren, da findet nicht einmal mehr Sichtfahrt statt, um an den Institutionen der Welt zu arbeiten und sie funktionstüchtiger zu machen, sie zu befähigen, Probleme, Konflikte und Widersprüche lösen zu können. Von Scham darüber kann keine Rede sein.