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Highlight zum Hegeljahr

Walter Jaeschke: Hegels Philosophie

Als interessierter Zaungast habe ich mich in Walter Jaeschkes Werk: „Hegels Philosophie“ eingelesen, zugleich um eine Differenz durch Leseerfahrung wissend. Für mich im Studium der 60er und 70er Jahre war der TWA-Hegel nur mit Blick auf Überwindung der Relikte der Nazi-Zeit wichtig. Jaeschke ist mir Jahrzehnte später durch sein „Hegel Handbuch“ als Nachschlagewerk für Übersichtgewinnung bekannt geworden: Eine andere, vorsichtige Perspektive, sozusagen von der abgehobenen editorischen Hegel-Archäologie bestimmt, die mich für den eigenen Interessenkreis unbefriedigt gelassen hat. Wahrgenommenes: Wenig Selbsteinlassung und dann auch noch mit der TWA-Ausgabe aufgeschmissen, ständig mit Textverweisen auf die mir unerreichbare neuedierte Gesamtausgabe verwiesen zu sein, die mir nicht zur Verfügung stand.

Mit seinem neuen Werk steht er nach wie vor auf der Basis seiner Hegel-Archäologie auf abgehobener und weniger zugänglichen Ebene der neuen Gesamtausgabe, aber jetzt ist er auf der Interpretationsebene für eine wirkliche Einlassung auf Hegelsches Gedankengut konstruktiv und bedeutsam vertreten, um auch als Leser durch den dargelegten Gedankengang im Nachvollzug „bei sich selbst“ und nicht von unzähligen Verweisen auf andere Ergänzungsnotwendigkeiten abhängig zu sein. Es ist eine Weise der Textauslegung, die dem Wort eines jahrzehntelang Vermissten: „ Philosophieren am Text“ neue Ehre macht. Es gibt auch das von Hegel Bemerkte, das Selbstverständliche und Aufgeplackte, am Ende nicht mehr zu wissen als vorher, aber dann doch scharfsichtiger, als ein Erkanntes. Der editionskritische Archäologe eröffnet mit seinem Arbeitsfeld und endet mit der Breite seines Wissens um das Phänomen des „Deutschen Idealismus“, das dem heutigen Bewusstsein in den Spielarten unbotmäßiger Trittbrettfahrer weniger vertraut ist. Verständlicher: Am deutschen Wesen das Genesen, variierbar.

Im Grundzug der spezifischen Texteinlassung ist Jaeschke Theorem-orientiert, schlägt eine Schneise ins Hegelsche Dickicht, aber lässt den Leser bei mehr Hegelkenntnis auch stöhnen, dass da Wichtiges ausgelassen wird und eine Schieflage à la Kant entsteht. So die formelle Entfaltung des Personalitätsbegriffes, interpersonal, ohne das inhaltlich intersubjektive Gegenstück der Moralität. Später aber, im anderen Kontext taucht das Vermisste des Zusammenhangs auf. So ist es ähnlich mir einige Male passiert, ohne weiter nachzuhalten, von Leseneugier getrieben. Und ich gestehe, mein Suchstrahl, der bei der Lektüre unbewusst registriert hat, ist die Relevanz für heutige Orientierungsnotwendigkeiten gewesen. Und plötzlich hat mich die Lektüre gefesselt und in den Bann geschlagen, aber auch dieses elektrisierende Moment ist im Duktus der Entfaltung und Gedankenführung beim Schreiber und Auslegenden verspürbar geworden.

Gegenwartsrelevanz in Bezug auf die Auslegung Hegelscher Sequenzen, sie geht insbesondere vom Vergleich der griechischen Antike mit dem alten China, aber auch von der Neusicht auf das gängige Romantikverständnis aus. Vielleicht hat es bei mir daran gelegen, dass mir jüngst mit Zhao Tingyang ein chinesischer Weltphilosoph vor Augen gekommen ist, mit einer weltbedeutsamen Gedankensicht, wie in der westlichen Welt der kritische Blick auf das anarchische Oberstübchen der Welt nicht mehr gerichtet worden ist, um den Herausforderungen bei so vielen Seiten von Vorbehalten und nackter Selbstbehauptung weltpolitisch noch entsprechen zu können. Was die potenten Weltgegenspieler USA und CHN angeht, ist mir gegen die Einseitigkeit bewusst geworden, dass auf beiden Seiten hehre Geburtsurkunden und geschichtliche Selbstbetrachtungen von hoher Würdigkeit und erhabener Größe zu finden sind, bei denen allerdings die Rückvergewisserung das Übliche als Differenz von Anspruch und Wirklichkeit unübersehbar macht.

Für Walter Jaeschke ist mit seinem philosophischen Werk Zhao Tingyang für die wünschbare Auseinandersetzung und einem anzuhebenden Diskurs der konkret greifbare Ansprechpartner. Dazu eine Sequenz aus einem veröffentlichen Beitrag von mir, der gegen „Ego-Falle“ (B. Zand) und westliche Hybris steht, ein vieltausendjähriges Kulturgewächs wie einen unliebsamen Konkurrenten wirtschaftlich und Rivalen machtpolitisch abzutun, unbegriffen in diesem Treiben, wie notwendig wir auf diesem Planeten gehalten sind, auf den Modus eines friedlichen weltweiten Zusammenspiels hinwirken zu müssen.

>Empfohlen als beachtliche und denkwürdige Lektüre aus chinesischer Philosophenhand: Zhao Tingyang, „Alles unter dem Himmel. Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung.“ Und wie es der Zufall aktuell eingespielt hat, gibt es einen philosophischen Vergleichspunkt für den interkontinentalen Diskurs aus der Feder des Philosophen Walter Jaeschke, dem langjährigen Direktor des Hegel-Archivs: „Das Fremde und die Bildung. Hegel über die Entwicklung des griechischen Bewusstseins, in: Hegels Philosophie“.

Der thematische Aufmacher, den Jaeschke für das Textstück gesetzt hat, mag irritieren, doch er hat seine Richtigkeit. Es geht um eine geschichtliche Sichtweise, mit der Hegel vor gut zweihundert Jahren China und Hellas in Beziehung gesetzt hat. Also zeitlich weit zurück, noch weiter historisch zurück, was und wie Hegel die Begegnung von Asien und Europa, beide einander Gegenstück, ins Licht des Bewusstseins bringt. Selbstgewinnung am Fremden durch das Belichtungsmoment. Für uns, den davon Wissenden: Ex oriente lux!

Und es ist, als habe der von Jaeschke herauskristallisierte Vergleich Hegels der heutigen Umbruchsituation in der Welt zu erweitertem verträglichem Umgang gegolten, einer fruchtbaren Koexistenz des Osten und Westen, damals noch und schon wieder einander fremd und von daher für progressiven Lernfortschritt offen, für den Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit durch den Wandel durch Annäherung, einander fordernd und förderlich.

Ich denke, mit den 18 Seiten ist Walter Jaeschke ein durchzumeditierendes Meisterstück gelungen, weltbedeutsam überhaupt, das sicherlich auch in China freundliche Aufnahme finden wird, ebenso die wünschbare Beachtung für den europäischen Bildungs- und Integrationsprozess. Diejenigen, die mit dem Fremden nicht wohlgesonnen fremdeln, ja, diese an Fremdenfeindlichkeit Leidenden und ohne die unguten Erfahrungen, die es auch gibt, zu leugnen, sollte akzeptiert sein, sich diesen intellektuellen Klimmzug einer anderen Erfahrbarkeit zuzumuten und sich die aufgegebene Lektüre gefallen zu lassen, um Erstaunliches an Bestätigungen im Hier und Jetzt wiederentdecken zu können. <

Schlussendlich doch noch dem Archivar mit zweckdienlichem Einwand leicht in die Parade, und zwar mit Blick auf den Deutschen Idealismus, den ich wie junge Studenten philosophiegeschichtlich als ein konstellatives Gunstgeschenk einer Zeitenwende ohne Deutschtümelei im Denken sehe. Darum ist es gut, dass so nachhaltig die sich Eingehängten, wie die Fliegen am Milchtopf, eine Abwehrreaktion gefunden haben. Jedoch lässt dann doch die übergroße Ausbreitung das studentische Eingangswissen zu mager zurück, da im Nachhinein doch die Zäsur einer weltbedeutsamen ideellen Neukonstitution von Philosophie in die Welt gekommen ist. Ein Jahrtausende-Ereignis nach Platon und Aristoteles.

Nicht nur Fichte, Schelling, Hegel, sondern auch Kant, der für die drei Großen wegen seiner verkorkst unschlüssigen Ideenlehre der nährende Mutterkuchen einer neuen Profilbildung auf Höhe der Zeit gewesen ist. Diese vier als Quadruplizität. Um mit Kant anzufangen: Er hat als Zermalmer eines beweisbaren Gottes gegolten, aber nicht von der Idee gelassen und diese im Jenseits angesiedelt und in einem Salto mortale diesen neuen Gott des Jenseits dem Denken der Menschen entzogen. Nun Kant mit einem unterstellten Gott voran und die Theologenschar hinterher, die in übergroßer Zahl einen unverantwortlichen Gott als Jenseits in Himmelssphären hinein gedacht beziehungsweise phantasiert haben! Jedoch allein die revolutionäre Botschaft in revolutionärer Zeit, dass die Autorität Gottes nur eingeredet und unbeweisbar ist, hat die Aufmerksamkeit der denkenden Geister in Facettenvielfalt auf sich gezogen, sich auf den neuen großen Denker Kant einzulassen. Und so lange die Hauptsache nicht weltphilosophisch unter Dach und Fach ist, haben, was das Epiphänomen des Dreigestirns angeht, die vielen ablenkenden Nuancen aus der deutschen Provinz zurückzustehen und sich Unterordnungen zu fügen.

Die wichtigsten Identifikationen und Ausdifferenzierungen: So Fichte, der das Subjekt von seiner „Natur“ her als Ich und Nicht-Ich dem gesetzlichen Denken erschlossen hat, vom anderen Pol her Schelling, der das Objekt als „Natur an sich“ und vom Menschen her als „Natur für sich“ für das Gesetzesdenken ineins gebracht hat, aber nicht den systembildenden Abschluss von Subjekt und Objekt vorgenommen hat, den er als kritischer Kenner Fichtes hätte vornehmen können. Auf die Systembildung zu hat sich Hegel entwickelt, der als intelligibles Ich die unbedingte Synthese, durchaus cartesisch zu deuten, für das Denken des Denkens vernunftwissenschaftlich als Schluss von drei Schlüssen: Logos – Natur – Geist als profunder Kenner aller drei aufgeschlossen hat. Das ist die weltphilosophische Leitidee der Weltvernunft heute, unabweisbar! Der weltweite Stoffwechselprozess steht gemeingefährlich in Frage. Es geht um die Systemgrößen: Einklang mit der Natur - Vermittlung durch weltpolitische Vernunft - Gleichberechtigung der menschheitlichen Völkerfamilie, lebenswert für alle Teile. Dem makrologischen Vernunftbegriff ist der mikrologische zugehörig, der leider zur bloßen Beteuerung und zum Schlagwort inflationär verkommen ist. Es mag offen bleiben, ob je der absolute Gipfel der Philosophie Hegels als mehrgliedriges Gebirgsmassiv genial bezwungen werden kann, doch dieser Nukleus für Mikrologisches und Makrologisches genügt zureichend Denkenden, nämlich zur ganzheitlichen Übereinstimmung der Teile in Wahrheit herausgefordert zu sein, freilich nicht den Gläubigen, die bloß glauben wollen, um nicht denken zu müssen.

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