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HEGELIANA

 

EINE LESART DER RECHTSPHILOSOPHIE

 

II

Es ist richtig, dass  Hegel die Ausdifferenzierungsnotwendigkeit der bürgerlichen Gesellschaft nicht gesehen hat, die mit Aufkommen der sozialen Frage die wirtschaftliche Eindimensionalität durch Entstehung einer Gegenkraft neu aufgestellt hat und zwar durch ein Spannungsverhältnis – nun der unmittelbaren Konfrontation im Verhandeln entzogen, dem Lohnempfänger hier und dem Arbeitsherrn da – fortan zwischen Gewerkschaftsorganisationen und Arbeitgeberverbänden. Und global – von einigen fortgeschrittenen Industriegesellschaften abgesehen – noch weltweit in den Anfängen steckend, um auf Augenhöhe Interessenkonflikte austragen und subalterne Arbeitskraftbesitzer aus der Bredouille bringen zu können, Brot- und Lohnarbeiter, die selbstherrlichen Bürgerlichen und herrschaftlichen Schichten ausgeliefert sind.

 

 

Im Übergang vom feudalen Mittelalter zur Neuzeit hatte sich die privatwirtschaftlich bahnbrechende Erfolgsoption  gegen  überlieferte Lebensverhältnisse durch den kalkulierenden Unternehmergeist für das bürgerliche Modell  der Lohnarbeit  und Unternehmensprofitabilität durchgesetzt. Das Wesentliche dieser damaligen  Neukonstellation ist die Unternehmung, an der alles hängt, nicht das, was in die Entlohnung fällt, von der Lohnarbeitende wie auch ihre Familien für den  Lebensunterhalt, letztlich auf Gedeih und Verderb und nicht nur auf das Nötigste gestutzt, abhängen. Nicht das menschenwürdige Wohlergeben ist primär Zweck des Wirtschaftens, sondern, wenn es sich so trifft, bloß die zuhöchst mögliche Anzahl nach dem Marktmodell. Für die Restgröße der Herausgefallenen und der Familienschicksale besteht keine Verantwortung und Verpflichtung, ob diese Menschen noch ein Dach über dem Kopf haben, ihr täglich Brot erbetteln können, nicht in zerfallenen  Lumpen herumlaufen, Arbeit finden oder mit dahinsiechendem Leben und ohne weitere menschliche Nähe und Wärme,  die Zuschauerrolle des täglichen Verkehrs, die Jahreszeiten hindurch, einnehmen.

 

 

Hilfen sind von Menschenfreunden ausgegangen. Der Staat vermeinte sich eher durch Pöbelentstehung belästigt und beunruhigt, demgemäß reagierte er auch auf seine Sorge. Wiederum anders, ging es darum, Soldaten, Landsknechte zu requirieren.  So lange ist es noch nicht her, dass der Mensch selbst als Ressource den Vorrang vor sogenannten Sachwerten erhalten hat, seiner sozio-ökonomischen Unentbehrlichkeit wegen, durch die ihm im Staatsdenken als „human capital“, aber auch als Potenz im „utérus social“, die Lebensbasis gemeinnützlich gesichert,  ein neuer Stellenwert fürs staatliche Gemeinwesen zugewiesen worden ist. Im Fortgang nun,  durch den Zivilisationsbruch des Völkermords geweckt, dass fortan ihm in der Staatenwelt „die Würde des Menschen“ prinzipiell, von seinem Gattungswesen der Vernunft her, das Kriterium der politischen Verantwortung und Rechenschaft vor dem Richterstuhl der Weltvernunft gelten muss.

Das  aufeinander bezogene Denken von Betrieb und Haushalt, Produktion und Konsumtion ist ja richtig, aber nur die halbe Wahrheit. Von der Entstehungsgeschichte her durchaus die volle, gegen ein Denken, das den Betrieb noch als Prius und Entscheidendes überhaupt und nicht korrelativ und durch den Haushalt wechselbedingt gesehen hat, und zwar volkswirtschaftlich! Gewissermaßen ein politökonomisches Denken ohne soziale Frage im Staat und einem weltbürgerlichen Verantwortungsdenken überhaupt.  Zur Ausdifferenzierung, bloßem Profit- und Rentabilitätsstreben entgegen, entstehen innerstaatlich sukzessive gesellschaftliche Einrichtungen des Daseins, der Vorsorge und Nachsorge, der Standard infrastruktureller Lebensbedingungen und die Sicherung für solidarisch zu tragende Lebensrisiken, nicht nur.  Der Stellenwert von Arbeitskraft im Betriebssystem und die sich steigernde Anspruchshöhen setzen  sukzessive  gesellschaftlichen Sicherungsbedarf frei. Betriebswirtschaftlich: Klugheitsregeln folgend, Treuelohn, außerordentliche  Zuwendungen, von Großunternehmungen gesteigert zur Betriebsrente, kaum Selbstverpflichtungen für Arbeitsschutz, eher Leistungsprämien der Selbstausbeutung. Vergesetzlichte Humangebote verspätet, einer bloß dinglichen Arbeitskraft, dem Spiel von Hire and Fire entgegen.  Gesellschaftlicher Solidarkonsens bringt voran.  So voraussetzungsweise überhaupt: Wohnen, Gesundheit, Bildung, Ausbildung, Studium. Währendes versicherungsweise: Arbeitslosigkeit, Krankheit, Unfall, Behinderung. Rentenleistungen: Alters-, Invalidenrente. Am Arbeitsleben vorbei: Sozialamt, Fürsorge.  

 

Arbeitsleben pur, das  ist nicht alles. Gesellschaftliche Komplemente. Antipodisch: Entspannung und Erholung. Anregung und Ermutigung. Befreunden und Erleben. Genießen.  Es  gewinnt und erfährt gesellschaftliche Lebensgestaltung selbst Ausdifferenzierung neuer Teile. Dem Reproduktionsprozess dienend, zukunftsaffin:  Aufgebot von Rollenwahrnehmung und Qualifikationserwerb – Sozialengagement der Sinnfindung und Selbsterfüllung – Anteilhabe am öffentlich exponierten Selbstbewusstsein – Vernunftwissen durch Forschung und Lehre.  Gemeinwohl orientiert und sichert die gesellschaftliche Basis humaner Lebensbedingungen. Durch gemeinnützige Vereinigungen und Einrichtungen geht es um ein Ausbalancieren gegen das einseitig unverhältnismäßige Profitstreben der Unternehmungen in den Wirtschaftssektoren und Marktmechanismen, ordoliberal verfasst, wettbewerbs- und wirtschaftspolitisch begleitet und auf Regeleinhaltung kontrolliert, von Zielkonflikten gewichtiger Faktoren  her für das funktionierende Zusammenspiel  in Balance gehalten, vom alten Volkswirtschaftsdenken her übergriffig durch den Geldkreislauf, der für Wirtschaftliches und Gesellschaftliches nicht unterschieden und von daher einem Kriterium von Verhältnismäßigkeit unterworfen wäre. Vom Eingebettetsein, was den Geldkreislauf der Welt angeht, was Anteile durch Berechtigungen und Verpflichtungen in den statthabenden Transaktionen, binnen- und außenwirtschaftlich,  betrifft, die hinsichtlich einer ausgeglichenen Rechnungsperiode einzubeziehen sind, nicht zu reden.

Systemisch gesehen: Es existiert noch keine gleichberechtigte Selbstbefreiung für sinngebende Lebensentwürfe in voller Begabungsbreite, für inspirierende Lebensperspektiven und zufriedenstellend ausgelegte Lebenswege für alle, und zwar den Unterschied machenden Diskriminierungen entgegen, was die Realisierung der Zukunftsdefinitionen des Gemeinwesens überhaupt betrifft. Ja, es gibt sie wie fortgeschrieben, scharfe Kontraste, Extreme, Selbstherrliche und Aufgeopferte, Prassende und Bettler, Festländer und Ertrinkende, Ingroup und Outgroup. Ein Lernen im Staatsmodell. Das Allgemeine ist nicht allgemein, ist unterschwellig und diffus von den Interessenlagen  her entzweit, zuweilen wie polarisiert, wesentlich dem korrelativen Denken entzogen, gegenseitig Bedingtes, aber einander blind widerstreitend, darum vermittlungsbedürftig, auf  höherer Ebene,  die politische Dimension.  Es entsteht ein Balanceakt zwischen Bedürfnissen der Wirtschaft und denen der Gesellschaft, Bereiche, die einander bedingen, um ein fortschreitendes und komplexer werdendes Ganzes lebenswürdig und lebenswert für die Menschen konvivial zu erhalten. Aufgabe der Politik ist es:  Beide Bereiche in ihrer relativen Selbstständigkeit durch Kontrolle, Revision und Justierung in Berechtigung und Pflichtigkeit leistungsfähig und anerkennungsfähig auszurichten und zu orientieren, auf eine selbstkritische Wahrnehmung  des Unternehmerischen wie auch des Gemeinnützigen hinzuwirken. Fehlt den Unternehmungen der Eigennützigen im Wettbewerb der Blick für das volkswirtschaftliche Ganze, so den Einrichtungen der Gemeinnützigen in der Wertegesellschaft der Blick für die sozial effektive Zweckerreichung.  Es gilt ein Umkehrverhältnis in Bezug auf herausgefordertes Zweck-Mittel-Denken hinsichtlich der Mittelbereitstellungen und der Zwecksetzungen in Bezug auf gegenseitige Ursache-Wirkung-Bedingungen, zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, sich wechselseitig bedingend, kritisch wahrgenommen, vernunftbestimmt, der übergreifenden Gerechtigkeit und Humanität wegen.

 

So W(irtschaft) als Mittel und G(esellschaft) als Zweck und umgekehrt die W als Zweck und G als Mittel. Zuständig für die Balance des lebenswerten Ganzen zwischen W und G der politische Souverän des verfassten Staats als vernünftige Vermittlungsinstanz von den sachlich kausalen Notwendigkeiten und den zwischenmenschlich finalen Möglichkeiten eines handlungsfähigen Ganzen der Vernunft her. Kirchliches und Philanthropisches und Vertrauen ohne Kontrolle dem Arbeitgeber gegenüber reicht nicht mehr hin und wird von der industriellen Revolution zur Ausgliederung des Ungegliederten gezwungen. Dass die Balance, Kontrolle und Steuerung gelingen kann, holt den Staat in neuer Wirklichkeit auf den Plan. Bei Hegel lediglich, um ihn als Nothelfer außenwirtschaftlich und binnenwirtschaftlich verzwickte Wechselwirkungen abfangen und mildern zu lassen. Dieser obsolete Hegel ist auch heute noch in hochkapitalistischer Schieflage wiederzuerkennen, die der Dekonstruktion von Eindimensionalität noch entzogen ist, um das Andere freizulegen, den Gegenpol: Gesellschaft, und zwar all das, was Wirtschaft nicht ist, die aber in einem umfassenden Gesellschaftsbegriff mitbedacht ist. Für sich allein jedoch von einem Sozialstaatsprinzip weit entfernt und ohne Hinordnung auf das staatliche Gesellschaftsganze. Wie bei Hegel, so zeigt sich auch  heute noch das Kokettieren mit  Einladungen zu innerkapitalistischen Veränderungen durch neue Stellschraubenimplementierungen, mit dem Staat als Nothelfer aufwartend, das Gesellschaftliche außen vor lassend, und zwar als Schieflage des Weltmarktes mit seinen vagabundierenden Kapitalströmen, die der weltgesellschaftlichen Solidarität arg zusetzen und sie zum wiederkehrenden Almosenspektakel  oder zur geschäftstüchtigen  Wiederaufbauhilfe  herabsetzen.  Das Eigenverantwortliche aller, auch noch primär als homo oeconomicus genommen, ist zu undifferenziert, lässt Komplexität aus, bleibt schnöde hybrid und schief, zugleich über sich hinaus, verheerend weltexpansiv. Wirtschaftliche Akteure, tumb für den homo sociologicus, ihn mit dem homo politicus missbräuchlich abschattend.

 

In der Buchführung, die Wirtschaft und Gesellschaft einander gegenüberstellt, bleibt dem Bewusstsein der Staat mit seinen ihm zugehörigen Einnahmen und Ausgaben als allgemeiner Träger des allgemeinen Ganzen unsichtbar. Er geht mit seinen Steuereinnahmen und Steuerausgaben im Geldkreislauf unter, erhält in seinen Tätigkeitsbereichen alle Jahre wieder, parlamentarisch vernommen, Rügen  vom Bundesrechnungshof, ohne dass er, was die Vertikale von der Gemeinde bis hin zum Bund in den Spezifika angeht, für die Staatsbürger systemische Sichtbarkeit im Zusammenhang von Wirtschaft und Gesellschaft für Verantwortung und Rechenschaft hätte. Im Zentrum steht der Staatsapparat als Abstraktum, die Architektonik des Staatsaufbaus überhaupt mit administrativen Stufen und Ebenen, die Verwaltung als Rückgrat überhaupt.

 

Der  Übersicht und Einsicht entzogen sind die Teilbereiche insbesondere in ihrer Verhältnismäßigkeit der Anteile am Geldkreislauf zueinander. Fraglich, ob auch rein sachlich gerechtfertigt oder rückständig, dysfunktional, unverhältnismäßig: Wirtschaft – Gesellschaft – Staat. Klare Grenzziehungen fehlen, was des Staates, der Gesellschaft und der Wirtschaft ist. Vermischungen finden statt, die unverhältnismäßige Übergriffigkeit vor Kritik abschirmen und der intransparenten Einflussnahme auf Politik und durch Politik selbst Tricks durch Verschiebebahnhöfe oder Steuerradbetätigungen ermöglichen. Viel verschleierte Willkür in den Selbstwahrnehmungen ist zu registrieren, weniger eine ins Auge springende Rationalität, die eine ausgewogen vernünftige Verhältnismäßigkeit im ganzheitlichen Zusammenhang aufzeigt. So wichtig staatsbürgerlich die Erkämpfung des Budgetrechts gewesen ist, so wenig spielt es heutzutage in den politischen Wahlkämpfen eine Rolle, verfügbare Etatgröße und  Wahlangebote  auf den Prüfstand  der vernünftigen Realisierbarkeit  zu stellen und von daher partei-, sach- und personenbezogen im und durch den Wahlgang zu entscheiden. 

 

Häufiger Gegenstand in der Öffentlichkeit, sichtbar die Ministerien, parlamentarisch unter Staatsgewalt. Wesentlich im Blick Verteidigung und Polizei, das Gerichtswesen, mehr oder weniger alltäglich erfahrbar. Was die Infrastruktur betrifft, hoheitlich besorgt, wie verschluckt, dass dem Staat Seefischerei, Bergbau, Domänen, ihm obliegende Verkehrsräume,  wie auch der Küsten-  und  Luftraum unterstehen, dem Physischen geistig inhärierend: neu und bedeutsam die Schutzfunktionen von Natur, Umwelt und Gesundheit,  von weiteren und kleineren dem Staat zugehörigen Obliegenheiten nicht mehr zu reden, durch Ausdifferenzierungen und Rechtsvergabe entstanden. Die großen Dinge, von der kriegerischen Landnahme angefangen, auch ererbt, vielleicht eingetauscht oder durch kolonialen Ausgriff mit Zugriff auf Begehrtes unter den Nagel gerissen und zum unanfechtbaren Rechtsgut erklärt, dem Recht vor Macht entgegen, ein Stoff, ins Geschichtliche verlegt, unter verstaubten Akten begraben,  aufarbeitungsbedürftig.

 

Aus kolonialem Unternehmergeist – von Hegel zu positiv beurteilt, unkritisch über den Staat hinaus, was dem kolonialherrschaftlichen Schalten und Walten überlassen worden ist, was dann mit den Herrenallüren auch sehr negativ ausgegangen ist, das ist  dann jedoch viele Jahrzehnte später, nach den Weltkriegskatastrophen, dem mehrfach Ausgerasteten  als Entmündigung, als Souveränitätsverlust geschehen. Es ist dem überheblichen Herrn,  ähnlich wie den kolonialen Knechten zuvor,  das Erleben der Abhängigkeit und das Einüben in Wohlverhalten unter anderen Herren geworden.  Der verbliebene Spielraum für den größeren Teil des Landes und seiner Menschen ist die wirtschaftsgesellschaftliche Freiheit und herausgeforderte Tüchtigkeit gewesen, um von  einem resozialisierungs- und emanzipationsbedürftigen Mündel im Schatten und Gefolge von Vormündern zu neuer Anerkennung zu finden. Der Verantwortung von Entscheidungen im Status der Einordnung und Unterordnung enthoben, ist  aus dem erstaunlichen Wirtschaftswunderland ein honigsaugender Weltexportmeister geworden, als Trittbrettfahrer, im Windschatten der Vormünder. Entwöhnung im politischen Verbund von Entscheidungen zeitigt Folgen. Weltpolitisch noch nicht wieder souverän, subaltern nur sich selbst verantwortlich,  das hat nicht, was die eigene Mitgestaltung als politisches Mitwirkungsrecht im Weltgeschehen  angeht, gefördert. Einzuräumen, dass auch die  Machtverhältnisse eine Rolle gespielt haben, wer das Sagen hat und vorgibt, wo‘s längsgeht. Doch das ist eine neue Geschichte,  der Aufarbeitung von Ideologie, den Zeiten nach dem II. Weltkrieg zugehörig.

 

Von Hegel ist der Staat selbst noch nicht in seinem Aufbau sonderlich auf horizontale Ebenen und vertikale Stufen im Sinne bloßer Funktionstüchtigkeit eines Gliederbaus im Gestaltwandel durch fortschreitende Selbstüberholung erkannt worden. Der griechische Stadtstaat ist ihm präsent gewesen, aber staatsphilosophisch noch nicht als Bausteinstufe herausgemeißelt worden.  Im Hin und Her von konzentrisch fortschreitender Herrschaftsetablierung mehr ein Überschriftwechsel, sich als formelle Frage darin erschöpfend: Nach der  Regentschaft, dem Gebietsumfang und der Zahl der Regierten. Inhaltlich das Stufenprinzip unbegriffen, was es in sich birgt. Es wird  einfach aufgezählt: Gemeinde, Kreis, Bezirk etc. Anreicherungsweise vielerlei Ämter und Zuständigkeiten, hochgradig komplex. Bedeutungsverloren das Synergieprinzip, sich von Stufe zu Stufe Dinge und noch mehr leisten und hervorbringen zu können, die das Vermögen einer Gemeinde und jede Stufe für sich allein nicht einzulösen vermöchte. Anders gefasst: Es geht nicht nur darum, sich mehr leisten zu können, was marktwirtschaftliche Denke im Sinne der Angebotspalette für den Geldbeutel nahelegen könnte, sondern wesentlich auch darum, Schwierigkeiten und Herausforderungen durch Kraftbündelungen angehen und meistern zu können und selbst auf staatlicher Ebene durch synergetische Vermögenserschließung neue föderale Zusammenschlüsse für Erfordernisse und die notwendige Lösungskraft zu ermöglichen. Was staatsextern recht offensichtlich ins Auge fällt, ist staatsintern im Wust von Komplexität wie verschüttet, wie ein frommer Wunsch, von Widerständigen umgeben.

 

Hegels Staatsbegriff ist ein originales Einzelmodell, systematisch dem geschichtlich Vorfindlichen durch Rekonstruktion abgewonnen, auf Höhe der Zeit: Montesquieus Gewaltenlehre.  Darüber hinaus kein Denken zu neuen Verwirklichungshöhen, im doppelten Sinne über babylonischen Turmbau hinaus, sondern einem erneuten Scheitern von kosmopolitischem Wahnwitz entgegen. Kein proaktives Wünschen, Fordern und Drauflos, aber durchaus offen für Fortknüpfungsfähiges, für das unmerklich und unaufgeregt wie selbstverständlich sich Fortwebende, von anderer Zeitwahrnehmung im Fortgang von Entwicklungen erfassbar. Was die Bewusstheit angeht: Vorhaben und Realisierbarkeit müssen übereinstimmen. Hegels wirtschaftsbürgerlicher Ständestaat hat, protestantisch gedacht, mit den Gemeinden der „Gewissenhaften“ (Hoffmann) das demokratische Element der übergreifenden Vernunft dem handfesten Politikbetrieb outgesourct, dafür die  strenge Objekt-Subjekt-Rationalität eines Ständestaates gegen zerbrechliche Bündnisse, Luftschlösser und Himmelsversprechungen verordnet, eine Verantwortung, die, von den Ständen her gedacht, Risikobereitschaft und Haftungsfolgen zusammenbringt.  Nicht unproblematisch, ob das Vorgezeichnete auch halten kann, was es verspricht: Besonnenheit für das Zusammenspiel.  Wandlungen: Aus einflussnehmendem Volksgeist (vox populi vox Dei) der gewissenhaften Gemeinden, dem Surrogat für Demokratie,  sind zunächst die Volksparteien zu willensbildenden Interessenvertretern großer Gesellschaftskräfte mit substanziellen Anliegen geworden, ist dann daraus eine Parteienlandschaft der Willkürthemen und des Wunschkonzertes geworden.

 

Das Parteiwesen, von Hegel englisch gesehen, als ein ganzheitsverlorenes Ping-Pong-Spiel, als ein bloßer Machthabe-Wechsels von sich gegenseitig konterkarierenden Parteien abgelehnt, die fortschrittsorientiert keiner vernünftigen Rationalität einer Arbeitsteilung für Zusammenspiel und Ergebnis genügen noch in Bezug auf Pflicht in der Bestandsfortschreibung wie auch Kür für noch Freibleibendes und Heißgewünschtes kritisch gemessen werden können. Nicht nur das. Das Kerngeschäft ist abstrakt vom Staatsganzen her bestimmt, konkret von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Interessen. Lokal und nicht zugleich auch ganzheitlich, von den Lebensbedingungen überhaupt her, global, sich für Berechtigungen und Verpflichtungen einbringend. Das Weltbürgertum, Wahrzeichen an der UN, es kommt parteipolitisch so gut wie nicht vor. Es prüft die Ausnahme die Regel. Nicht die Einsicht verschafft den Lebensbedingungen aller das Gehör für Abhilfe, sondern das ungebrochene Prinzip von  Versuch und Irrtum, seien es Bestrebungen zu neuer Größe oder Anmahnungen durch Fallerfahrungen, Korrekturen vorzunehmen. Wer aktuell in parteipolitische Programme hineinschaut, kann beispielsweise feststellen, es geht wesentlich verengt um Reduktion von CO2, nicht um ein anzustrengendes Leben im Einklang mit der Natur.

 

Oder  das Bekenntnis zur internationalen Solidarität,  willkürlich und selbstdienlich von Mal zu Mal wahrgenommen,  kurzfristige Überlebenshilfe oder repressiver Herrschaftsgewalt entgegen, nicht aber grundsätzlich, ursachenkritisch, worum es wirklich geht, hehrer, aber notsteigernder Symptombekämpfung entgegen. Nicht das eigene Interesse im persönlichen Auftritt, sondern das Prinzipielle soll gelten! Für andere, nicht gegen sich?

 Von Platon her weiß sich Hegel einem Tyrannen, Diktator oder Autokraten entgegen. Sein konstitutioneller Monarch ist nur noch das i-Tüpfelchen der politischen Gewalt, die der ausdiskutierte „aristokratische“ beziehungsweise ständische  Sachverstand  für den monarchischen Schlusspunkt und die letztlich durch einen vernunftbekennenden Menschen und nicht mehr durch einen absolutistischen Gottesglauben ist. Das politische Treiben ist darüber hinweggegangen, es sind Führer und Lenker ins Amt der Regentschaft gekommen, die sich göttlich gewähnt haben und höllisch regiert haben. Der subjektive Faktor, als erlebtes Auf und Ab, Hin und Her hält auch Reibungen, Einschläge und Scheitern fest. Eine Art und Weise von Null-Summen-Spiel: Aufbauen und Einreißen, Schlagen und Heilen, Himmlisches und Höllisches. Geschichtlich festgehalten, den aufgesessenen Irrungen und Verwirrungen auf die Spur zu kommen, dem Rückfall in Wiederholungen entgegen.

 

Aus der Ständestaatlichkeit, die sachlich den selbsthaftenden Subjekt-Objekt-Bezug in der Interessenwahrnehmung für Vernünftigkeit sichern sollte, ist Lobbyismus geworden, ein buntscheckiges Interessenmanagement als Geschäftsmodell, luftig, haftungslos. Dem Pressewesen hat Hegel, pointiert gesagt, das Momentum von Halbwahrheiten zugesprochen, Abstriche am Wahrheitsgehalt, kein unbedingter Wahrheitsanspruch, im Fluss der Geschehnisse nicht garantiert für das Veröffentlichte wie auch für das zu Wissende. Medien und Wahrheit: Was ist ihre Wahrheit? Vor dem Kleingedruckten und dem Verfallsdatum nicht sicher! Dem Staat selbst aber ist das unbedingt Geltende seiner Wirklichkeit wesentlich  abgefordert, dass er in Gewährspflicht steht für das von ihm allgemein Bekanntgemachte, Gültige und Geltende und der freiheitlichen Gesetzesherrschaft Geschuldete.

 

Mit Blick auf Gefährdungen durch Herrschaftsformen ist der rechtsphilosophische Hegel unzureichend geblieben. Negativ findet die gesellschaftliche Gemengelage eines heruntergekommenen Pöbels Kritik. Geldgier und Bestechung tauchen nicht auf, auch nicht oligarchische und plutokratische Einflussnahme bis ins Regierungshandeln hinein, neu formierten Versuchungsmächten entgegen: Geld regiert die Welt – der Abhängigen, Gierigen, Bestechlichen, Macht-, Prunk- und Ehrsüchtigen.  

 

 Prekär gerät die Lage nach dem II. Weltkrieg mit den ideologischen Strebungen und Gefechten. Die Staatsform im Fokus. Staatsabsage überhaupt. Marxistische Nachwehen einer bürgerlichen Weltgesellschaft als auf den Weg gebrachtes Telos ohne staatliches Gerüstdenken des Weltgebäudes.  Es geisterte die These durch den Raum: „Der Staat stirbt ab!“ So noch in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Der Diktatur des absterbenden Staates diesem Denken entgegen, die parlamentarische Demokratie! Ihr oppositionell alternativloses Versagen, durch Schönwetterzeit noch unbewährt, kurzweilig der Vereinseitigung erlegen, all das durch Zunahme von konfligierender Straßendemokratie temporär offenbar. Fragwürdig in der vergleichender  Selbstaussage: Gar die schlechteste Herrschaftsform zu sein, aber auch keine bessere zu wissen.

 

 Das formelle Staatsdenken Hegels hat mit den Freiheitsbewegungen gegen den Kolonialismus weltweit Karriere gemacht und eine buntscheckige Staatenwelt hervorgebracht.  Diese ist zugleich von den Geburtsumständen und misslichen Patenschaften her für ein unter ärmlichen Verhältnissen stehendes State-Building aus eigener Kraft überfordert gewesen. Entwicklungshilfe, am Geschäftsmodell der Industriestaaten und nicht an einem Win-Win-Modell orientiert, hat koloniale Herrschaftsbeziehungen in Abhängigkeitsverhältnisse überführt. Noch weniger haben die fortschrittlichsten Industriestaaten für eine weitergehende, übergreifende und auszubauende Weltordnung von weltregionalen Zusammenschlüssen Pate gestanden, nämlich den Strukturaufbau vor reinen Geschäftsbeziehungen zu begünstigen und Ländergruppen durch Synergiegewinnung zu befähigen,  Kräfte der lebenswerten Selbstbestimmung,  Selbstmächtigkeit und Unabhängigkeit zu entfalten. Devise der Geschäftshungrigen: Man befördert doch nicht ein Spiel von Konkurrenten und Konkurrenz vor dem eigenen Haus und demontiert die eigene Machtposition für Überlegenheit und Spielfeldkontrolle.

 

Der mittelrationale Marktkapitalismus hat Besitz von allen Ländern der Erde ergriffen und hat die mächtigsten Staatsgrößen, konkurrierend und rivalisierend, als Helfer wie auch Selbsthelfer aus Nöten und vor allem als Förderer der je eigenen Superlative gehabt. Der Sozialismus als ein weltweites Gegengewicht zum Kapitalismus ist gescheitert, hat  ihn bekämpft in seiner Stärke, sich nicht in den Umkreis seiner Stärke gestellt, sondern sich selber marxistisch stärker vermeint und ist für das handlungsfähig Gesellschaftliche als Neubereich schwach geblieben, eben auf elliptisches Denken zweier aufeinander bezogener Brennpunkte zu erkennen, stattdessen Rückfall auf eine Art und Weise von staatlicher Klostergemeinschaft, ora et labora, Parteilied und Werkarbeit. Prioritäre Marktwirtschaft, von Hegel her gelesen – der eindimensionale Kapitalismus im Vorwärtsgang, aber die bürgerliche Gesellschaft mit Ausdifferenzierungsbedarf im zähklebrigen Korsett von Agrargesellschaft.  Nachlese auf der Stufe der Almosen- und Philanthropenwirklichkeit, aber auch im Fortgang auf der Stufe des guten Willens und Barmherzigkeit bis hin zur geschäftsförderlichen Entwicklungshilfe, sozusagen im Denken stehengeblieben.

 

 Bemerkenswert: Vom Club of Rome getragen, erging von „Dennis Meadow und seinen Mannen“  weltöffentlich der 1. Bericht über die Grenzen des Wachstums auf dem Planeten Erde. Eine Botschaft, wichtig in Bezug auf die blinde kapitalistische Produktionsmaschinerie, um der Gefahr und dem  Absturz ins Leere, den verlassenen Goldgräberstädten gleich, zuvorzukommen. Was die weltgesellschaftlichen Bedarfe angeht, sozusagen das korrelative Pendant zu der makroökonomischen Fakten- und Datenermittlung, das interessierte nicht mehr, um sich weltinnenpolitisch im Großen und staatsintern im Kleinen in Verantwortung für Gerechtigkeit und Humanität des gesellschaftlichen Menschen wissen zu können, imperativisch als korrelierende Weltwirtschaft durch und für eine solidarische Weltgesellschaft! Dazu und dafür reichte im Selfish System das aufkommende Menschheitsbewusstsein noch nicht aus, die vielen Wirtschaften und Völker für ein rationales und vernünftiges Zusammenspiel zu konzertieren.

 

Die UN als Gewähr für Frieden, gegen Hunger und Elend in der Welt, sie leidet am anarchistischen Souveränitätsgebaren, wo jeder Staat mit anderen seines Interesses paktieren, die Staatenwelt selbst aber ohne eine konstituierte Staatswirklichkeit der Staaten der Welt ist, um handlungsfähig die Geschicke der Welt zu meistern und zu beherrschen. Im intransparenten Wildwuchs ihrer  Unterorganisationen leidet die UN, leidet der Rechtswille zur Weltregentschaft an sich selbst, fragwürdig darin, was davon in der Staatenwelt im Sinne von Durchlässigkeit nach oben wie unten an materiellen Hilfen geleistet wird und auch an rechtlicher Ratfindung im weltöffentlichen Diskurs für neu und ganzheitlich erlebte Gemeinsamkeit formierend wirkt. Es fehlt der Modus der Verwesentlichung für Nachhaltigkeit, für das Aufhorchenlassen, nicht nur atemlos dem Minus und Einbrüchen und Krisen hinterher. Dem Scheitern an der Einstimmigkeit müssen Gegenstände für das Gelingen von Einstimmigkeit und Erfolg aufgeboten werden – wie das Pariser Abkommen für den Klimaschutz so weltbedeutsam gezeigt hat. Wie eine weltweite Bewegung, von einem jungen Mädchen inspiriert, junge Leute international elektrisierend: Fridays for Future, gegen Missachtung wissenschaftlicher Alarmzeichen und klimaschädliches Weitermachen wie bisher. Kein Rattenfänger an der Spitze, vom Märchen warnend festgehalten, ein Verführer, um  junge Leute zu Kreuzzügen zu bewegen, heute dogmatisch Fromme und ideologisch Politische. Stattdessen  ein Schulmädchen im Streik mit der Einsicht aus der Wissenschaft: Das Haus brennt. Wir sind weltweit bedroht und hier und da schon betroffen. Wir müssen zu löschen anfangen, Aussagen der Wissenschaft und Anzeichen in der Welt als Ruf nach der Feuerwehr ernst nehmen, um der Zukunft aller wegen, klimaverändernden Kipppunkten entgegen.

 

 Von wegen Ende der Geschichte. Kein Ende von Geschichten in Sicht, fehlt doch ein geschichtlicher Neuentwurf, ein Wahrsager für das Prinzip der Weltregionen, wie der 2. Bericht an den Club of Rome im Sinne eines Denkansatzes vorgezeichnet hat, um ein verträgliches Überleben und lebenswertes Existieren aller  auf dem Planeten Erde unter dem  Gesichtspunkt vorgegebener Lebensbedingungen zu organisieren.  Hier hat Hegel mit seiner Verfassungsanalyse des Deutschen Reiches von Karl d. Großen bis hin zu Kaiser Franz II. die Figur für das Hinwirken auf staatenübergreifende Zusammenschlüsse vorgezeichnet. Ein Reich von Karl dem Großen bis zu Kaiser Franz II.,  über tausend Jahre existent gewesen, ist gescheitert an seiner inkonsequenten und von Widersprüchen gezeichneten Konstitution. Für das Fortschrittsdenken heute kommt diese historische Erfahrung einer politischen Herausforderung gleich, und zwar einer Erinnerung an die Zukunft, nämlich für dieses Unterwegssein im Geist des Angestrebten besser orientiert sein zu müssen  und  solche geschichtlichen Werkfehler eines geistigen Tierreichs nicht erneut zu begehen beziehungsweise zuzulassen. Das Demokratiemodell muss zum Modell auf Menschheitshöhe umgedacht, transsubstanziiert werden. Es geht ganzheitlich um Weltökologie, Staatenwelt und Humanokratie: Eingeladensein der Menschheit an den Gabentisch der Erde, und zwar als Herausforderung des Bewusstseins, an dieser Vision vom lebenswerten Stern Erde Compassion zu erleben und daran empathisch, kreativ, inspirativ mitwirken zu können, nicht wie verurteilt, dumpf und stumpf, instrumentalisiert, vom Jammertal in die  Tretmühle geraten, Wahnwitzigen ausgeliefert.  Wesentlich ist es, den Begriff „Humanokratie“ zu promovieren, der anthropozänisch-kapitalistischen Produktionsmaschinerie entgegen, um dem Einklang mit der Natur und der Menschenliebe die Anspruchshöhe gegenüber den Staaten der Welt mit Blick auf ihren obersten Souverän „Weltvernunft“ zu geben.  Volksherrschaft ist nicht alles. Sie ist Aufbaustufe, hin zum menschheitlichen Ganzen. Dass die Rede vom „Ende der Geschichte“ greifen konnte, wenngleich auch nur kurz, verblüfft heute doch sehr.

 

Hegel hat das Staatsleben in das Weltgericht der Weltgeschichte entlassen, die in der Funktionalität der Abläufe der Staatenwelt von der Unvernunft und Blindheit im anarchischen Souveränitätsverhalten bedroht ist, und zwar im Hinblick auf das, was Befolgen der Notwendigkeit in  Freiheit ist, was das korrelative Genügen der weltweiten Geisteswirklichkeit angeht, dass das Denken der Staaten der Welt vernünftig und dass die Wirklichkeit der Welt der Staaten vernünftig zu sein hat, beides sich wechselseitig bedingend und bestimmend, um handlungsfähig zu sein. Das doppelseitig korrelative Genügen nicht ins Blaue von Vorstellungskraft assoziiert, sondern von der aussagefähigen Wahrheit  her bestimmt. Der Basissatz der Phänomenologie: „Das Wahre ist das Ganze.“ Der Dreh- und Angelpunkt dazu: „Die Kraft des Geistes ist nur so groß als ihre Äußerung“. Und uns Heutigen ist der Gedanke abhandengekommen, dass es um den „Nous“ (hegelsch Anaxagoras gedeutet: Vermögenstriade des teleologischen Geistes) in Wahrheit geht, der die Welt regiert, sich gegen Gebundenes und Trennendes immer wieder als dreierlei Natur mit epigenetischem Telos durchsetzt und unsere gemeinsame Welt aus  Mutter Natur, ihrem Geschöpf Mensch  und insonderheit  den  eingeborenen Vernunftinstinkt der Menschengattung zu fortschreitender Lebensgröße von Bewusstsein – Selbstbewusstsein – Vernunft  durchwirkt.

 

 Hegel hat einen langen Weg für die geschichtliche Fortschrittsbewegung der menschheitlichen Selbstbefreiung gesehen, die mit stationären Ereignissen des Weltgerichts aufwartet. So der Fall des Dritten Reiches. Die Köpfe wahnbesessen, unvernünftig, die Praxis der Wirklichkeit menschenfeindlich, vernunftlos. Das Weltgericht hat stattgefunden, nachvollziehbar,  aber mehr als ein Aufatmen und Verwickeln in neue Spannungsfälle ist nicht gewesen. Unvollkommen die Aufarbeitung. Die „Guten“ haben über die Bösen gesiegt und Gericht gehalten, doch das Böse des Zusammenhanges ist unreflektiert, bewusstlos und unaufgearbeitet geblieben. Restbestände und Inkonsequenzen haben die Infektionsgefahr unterschwellig latent gehalten. Die siegreiche Herrschaft ist nicht selbstredend der vernünftige und wirkliche Herr, wie die Entzweiung angezeigt hat. Schon wieder deuten sich Machtkämpfe an, global konfligierende Supermächte der Welt, unterschiedlich in ihrer Verfassung, jede der beiden mit nicht geringem Humanisierungs- und Verträglichkeitsbedarf, den Schieflagen entgegen. Krieg-der-Sterne-Ambitionen blicken höhnisch auf die Sternschnuppe des gewaltlosen Widerstands herab. Hat es Gandhi und seinen Erfolg überhaupt gegeben? Rufe nach den Kriegen: Nie wieder Krieg! Wie ernst ist die Alternative des gewaltlosen Widerstandes aufgegriffen worden und im Denken angekommen? Wird Kriegswissenschaft daran gemessen und geprüft? Stattdessen Ignoranz. Und keine geistige Kraft des Vernunftwissens in dieser nach wie vor bedrohten Weltlage , ermittlungsmächtig und vermittlungskräftig  genug, zeigt sich als Fels und Kraft in der Brandung, um das Ganze in Wahrheit wegweisend auszusagen, seine Teile der Friedensordnung zu durchdenken und zu bestimmen, um sie in Balance bringen und halten zu können.

 

Hegels Überantwortung der judikativen Gewalt an die Weltgeschichte ist Ausflucht des Nicht-weiter-Wissen in Wahrheit. Es fehlt den Kontrahenten geistiger Wirklichkeiten die dritte souveräne Größe, der sich die konfligierenden Akteure beugen, fügen und einordnen, um dadurch notwendig und allgemein gewinnen zu können. Die Weltgeschichte handelt nicht, sie geschieht wie eh und je, ohne allvernünftigen  Prätor, ist dualistisch, wird von historischen Individuen losgetreten. Hegel bringt das Regentschaft-Trio der Gewaltenteilung, also Aufgebot und Ausdifferenzierung der drei Gewalten nicht ideell für das Denken  in Wahrheit zusammen, naheliegend, daran zu denken, an die Repräsentanten der reellen Wissensidee: wissenschaftslogisch, naturwissenschaftlich und geisteswissenschaftlich. Schauen wir auf die „gebildeten“ Kompetenzen der Teile des Ganzen, ginge es um die tributfordernden Stimmen – in  der Sache, der Interessen und der Werte.

 

Thomas Hoffmann (Hegel. Eine Propädeutik, 2004) hat den großen drei Schlussfiguren des Hegelschen Denkens einen Versuch der Verbegrifflichung skizziert. Die zerfasernde Vieldeutigkeit hat nicht sonderlich den erhofften Gewinn an wünschbarer Griffigkeit gebracht. Mir bleibt in diesem Kontext die Chance auf einen Impuls, was gegenwärtig die epochale Umbruchsituation angeht, und zwar bezüglich einer größeren Verständigkeit für das Interesse an Deklinationsübungen ein Beispiel hegelorientiert zu setzen und anzudeuten. 

 

Vorab zum Kuddelmuddel, was in deutscher Sprache einen Unterschied macht und doch wesentlich identisch ist, plakativ gesetzt als Mensch, dieser da, Geist, nicht ohne diesen da, von seiner subjektiven Einbildungs- und  objektiven Entäußerungskraft her. Das Englische ergäbe für Geisteswissenschaften = humanities nicht solcherart Betonungsnotwendigkeit, um den vernunftbegabten Menschen nach Besonderungen und Unterteilungen gliedern zu können. „Geist“ ist Hegels Antwort auf die Frage Kants: „Was ist der Mensch?“   

 

Struktur der Enzyklopädie:  Vernunft – Natur – Geist (Mensch)

  • Vernunft: Menschengabe, Schlüssel zu Natur und Mensch (Geist), sie beide füreinander aufzuschließen

  • Natur: Mensch als Ebenbild, durch Vernunft – korrelativ beide füreinander erschließbar

  • Geist (Mensch): physisch in Abhängigkeit von der Natur, durch Vernunftgebrauch im Pari

 

Ansatzweise Ausgangsgrößen der drei sich vermittelnden Größen bei Hegel

 

Geist: Vom Erkennen, Wollen und Gestalten

        -    Befreien von Leiden und Mangel, Fixierungen und Influenzen

Natur: Lebensbedingungen kennen, hegen und pflegen

  • Hinaus auf Mitschwingen, Austauschen, Entschärfen, Anschmiegen

Vernunft: Erfassen des wahren Ganzen

  • Überschau, Zusammenhänge, Korrelationen, Win-Win-Regulative

 

Hegel hat im rechtsphilosophischen Ausblick auf die Weltgeschichte als Weltgericht nicht die eigenständige Wirklichkeit  der Natur eingearbeitet. Die Natur hält sich sozusagen mit dem geschichtlichen  Gedächtnisverlust im Hinterhalt auf. Biblische Erfahrungen,  aber auch mittelalterlich und neuzeitliche Naturerfahrungen sind vergessen, zumal der Naturraum für Menschen das lohnenswerte Weiterziehen auf der schier „grenzenlosen“ Erde kannte. Heute wartet ein begrenzter Planet Erde mit erschöpfbaren Lebensbedingungen auf. Für Hegel noch jenseits einer ernstzunehmenden Denkbarkeit. Seine Weltgeschichte läuft, noch von anthropozänischen  Naturüberlegungen überhaupt verschont,  auf „gnostisch“ ausgetretenem Pfad eines bloß menschlich relativen Subjektivismus zwischen Starken und Schwachen, von Überlegenheit Wähnenden und sich Entgegenstellenden hin zu kriegerischen Entscheidungsfindungen, wie das für die geschichtlichen Zeiten überliefert worden ist. Und auf dieser Ebene der Subjektentzweiung liegen auch die beiden Weltkriege. Die Naturkatastrophe nach dem I. Weltkrieg mit 50 Mill. Grippe-Toten gegenüber rund 10 Mill Kriegstoten, Grippetote,  die gar nicht ins Bewusstsein eingesickert sind. Anders heute. Eine noch offene Pandemie grassiert. Die weltweit vernetzte Wirtschaft zeigt sich als bedrohlich wirtschaftliche  Existenzkrise aller. Gegen die Natur gibt es den hochgerüsteten Machthabern auf Ebene der Waffen kein Kampfgeschehen. Unwissend und waffenlos stehen die Völker einer irgendwie losgetretenen Naturgewalt gegenüber, nicht wissend, ob und wann in den Laboratorien ein Gegenmittel experimentell gefunden werden wird, ob es auch wirklich das bringen wird, was ein „Versprechen“ darauf ist.  Angesichts der unsichtbaren Gefahr offenbaren sich im Widerstreit von gesundheitlicher Widerstandfähigkeit und drohenden existenziellen Vermögenspleiten reflexhafte Bereitschaften,  den Preis für Abstriche an unbedingten Wertbekundungen zu zahlen.

 

 Im salomonischen Kreidekreis liegt die Menschenwürde und von beiden Seiten setzt das Zerren der Interessenten ein, und zwar die Kämpfenden für Virusbesiegung, sei es eitel, ehrgeizig, sachlich, dann diejenigen, die sich für die Aufhebung ihrer Existenznöte wichtig nehmen, sei es verkappt, winkelzieherisch, heuchlerisch, brutal. Wird unser aller Vernunft lebendig genug sein, die Menschenwürde vor Schädigung zu schützen, wird der Lebenswert oder der Besitzstand vorrangig  im Denken sein oder erst, wenn sich das massenhafte Sterben nähert? Wie viele Tote müssen weltweit hinweggerafft worden sein, bis die menschheitliche Solidarität entdeckt wird? Fragen, die sich schon vornweg in der ausgebrochenen Pandemie stellen und die wiederkehren werden, wenn der Klimawandel zur Plage, Marter und Lebensgefahr von Küsten, Landesteilen und großen Regionen wird. Danach werden wir um Vernunft und Wirklichkeit in dieser Frage wissen, vielleicht auch schon vorher, von einem vernünftigen Kopf der Welt, von einem universellen Geist der Vernunft aufgeworfen, der die Extreme in sich aufgehoben und durch orientierende Leuchtkraft den Ausgleichsmühenden die Besonnenheit fürs Vermitteln und Kooperieren erschlossen hat. Es geht um Besonnenheit der vermittelnd gesetzten Weltordnung im Zusammenspiel ihrer Institutionen nach Seite für die lebensfreundlich zirkulierenden Naturquellen, katastrophischen Verursachungen entgegen.  Andererseits verhaltenssystemisch um die humane Geistesgegenwart aller in der menschheitlichen Völkerfamilie, neurotischen Fixierungen und Entgleisungen entgegen.  Anzustrengende Antworten auf die Herausforderungen allenthalben. Eine ungeheure Aufgabenstellung, die bei der Frage nach dem Akteur für solche Herausforderung mutlos machen könnte, wären wir nicht Zeuge der digitalen Revolution in ihrer gewaltigen Leistungskraft und kennten nicht die Tatkraft, mit der ein Dennis Meadow mit einem Team über die Erde gestreut die globale Ressourcenlage erforscht und für das Abenteuer einer arbeitsteiligen Menschheit Bestands- und Entscheidungsdaten eingeholt hat.

 

All dies in der Tat in Anbetracht der vorliegenden Summe: Ein großer Aufriss, über Hegels Bewusstseinslehre der Phänomenologie hinaus, rechtsphilosophisch unterfüttert, zugleich ein Grundriss auf heutige Zeit hin angerissen und zur vergleichenden Lagefeststellung dem Nachdenken aufgegeben!

 

Erst das 21. Jahrhundert ist wirklich zur Herausforderung aller in voller Breite auf dem Planeten Erde geworden. Das Echo aus der Natur schallt der Menschenwelt entgegen, sich auf Gedeih und Verderb zu besinnen und von der ehrfurchtlosen Hybris der Natureingriffe zu lassen. Ebenso vom Übermut und Leichtsinn zu lassen, der in der Weise von Vorwärtsverteidigung den Frieden der Welt nach eigenem Willen bis in den Weltraum hinein sichern will und gleichzeitig blind für die subsidiären Entwicklungsherausforderungen ist, aber auch hochmütig die Imponderabilien des Weltgehäuses aller Teile des Ganzen für das funktionierende Ganze, für die Notwendigkeit des Zusammenspiels verkennt. Schließlich die vorurteilsüberkommene Diskriminierung und Entwürdigung missliebiger Menschen und inferior geschätzter und leidig behandelter Völker durch Übermächtigkeit und Ignoranz, in Übersteigerung der ausgerufenen Gegner zu inferioren Massen und fratzenhaften Terroristen, die den Frieden in Gefahr bringen, nämlich ihren Frieden zu gefährden, der nicht wenigen anderen den Frieden genommen hat! Was rechtlose Kleine als Spielball der Großen findig werden lässt: Die tückische Schleuder hat den Riesen Goliath zu Fall gebracht. Auch das gehört dazu: Zum Frieden einer geordneten Welt gehört mehr, den bloß fortwährenden Pyrrhussiegen entgegen, von der biblischen Urgeschichte zu uns herauf. Die Zukunft in den neu erkannten Notwendigkeiten und Möglichkeiten und Vermittlungen hat in Bezug auf eine Verabredung der Staatengemeinschaft erdenweit für das Monitoring, auch von medialen Halbwahrheiten und mancherlei Verschwörungstheorien begleitet, schon begonnen. Es geht um den Phoenix, der Asche entgegen!

 

Noch einmal zu Hegels Gedankenführung. Er hat auf Vorlagen zugegriffen und diese abgeschöpft, zu wesentlichen Dreh- und Angelpunkten verdichtet. So die Stratifizierung der Sittlichkeit. Für den Weltgeist ist ihm keine Vorlage mehr greifbar gewesen, insofern der Lichtblick auf die Welt im planetarischen Maßstab erst in heutiger Zeit geworden ist und gewissermaßen noch in der Morgenröte für eine neue Tagesarbeit steht und uns Heutigen auf wissenschaftlicher Basis klar und deutlich  in Bezug auf Lebensbedingungen  mit Dreh- und Angelpunkten des Weltganzen die Herausforderungen vor Augen bringt, die weiterer wissenschaftsphilosophischer Auswicklung bedürfen. Es geht um das universelle Vernunftrecht, die Gabe des Denkens, über das  staatswissenschaftliche Grundgefüge der Staatenwelt hinaus, die ganzheitliche Übereinstimmung der Teile gegen die Drei-Fronten-Malaise in Wahrheit auf den Weg des angebrochenen Tages zu bringen.

 

 

  • Tao der Natur

Einklangbesorgung versus Dissonanzverursachung

 

  • Logos der Welt

Dysfunktionalität versus Kompatibilität

 

  • Friede den Menschen

Eintrachtsstreben versus Streuen von Zwietracht

 

 

 

Literatur

 

G.W.F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III.TWA 10, Frankfurt/M. 1970

 

G.W.F. Hegel, „Geistesphilosophie“, in: Jenaer Realphilosophie, hrsg. v. Johannes Hoffmeister. Hamburg 1969

 

G.W.F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im  Grundrisse. TWA 7, Frankfurt/M. 1970

 

G.W.F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, hrsg. v. Ludwig Siep, Berlin 2/205

 

G.W.F. Hegel, Philosophie des Rechts. Die Vorlesung von 1819/20 in einer Nachschrift, hrsg. v. Dieter Henrich, Frankfurt/M. 1983

 

G.W.F. Hegel, „Philosophische Enzyklopädie für die Oberklasse“, in: Nürnberger und Heidelberger Schriften 1808 – 1817.TWA 4, Frankfurt/M. 1970

 

Howard P. Kainz, Hegel’s Philosophy of Right, with Marx’s Commentary: a Handbook for Students

 

G.W.F. Hegel, “Geistesphilosophie”, in: Vorlesungen  über Platon (1825 – 1826).Unveröffentlichter Text. Hrsg. u. eingeleitet v. Jean-Louis Vieillard-Baron, Frankfurt/M. 1979

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