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Antisemitismus als Kollateralschaden

Antisemitismus und kein Ende. Gesetzesschärfung und Polizeimethoden helfen nicht, findet nicht Neuwahrnehmung der Ursachen, der Quellen statt, die bislang nicht in den Fokus von Aufklärung genommen worden sind. Die Aufdeckung wird sehr wehe tun!

 

Mein Hintergrund ist eine Entdeckung am Höhlengleichnis (Platon). Die Befreiung, aufwärts zur Sonne wird von den meisten Interpreten sozusagen in Gänze nur positiv wahrgenommen. Häufig genug überschwänglich, nicht ambivalent als Segen und Fluch zugleich. Licht!! Gegenpol Finsternis!

 

Die Ersten Heiligen Schriften der Juden: Welterklärung, Verschriftlichung der Volksgeschichte im Bund mit Gott, ein revolutionäres Licht in die Vergangenheit, ein Volksbuch wie es unter allen anderen Völkern keines gab, als selbstkritische Offenbarung.

 

Das Heilige Buch als Sündenspiegel so vieler Gräuel, welche für Außenstehende ein schlimmes Licht auf das Volk Israel, gleichsam als Sodom und Gomorra, nicht mit Gott, sondern mit dem Teufel im Bunde, warfen. Israel hatte sich schriftkundigen Gelehrten als „Sündenbock“ geoutet.

 

Andere Völker im Umkreis wussten nicht um eigene Teufeleien, identifizierten das Böse mit dem Wissen dieser originären schriftlichen Überlieferung. Und das Christentum potenzierte mit der Bibel das verworfene Judentum als Gottesmörder, impfte mit Fingerzeig jahrhundertlang Antijudaismus ein.

 

2000 Jahre ist die Heilige Schrift dem Antisemitismus Quelle fürs stigmatisierte Volk gewesen, zur Strafe verstreut in alle Welt. Es gab keine anderen Geschichtsbücher, um diesen dogmatischen Wahn bis in die Shoah hinein zu durchschauen. Zu hoch und hehr: Sola scriptura! Und Theologen hüpft das Herz in der Brust.

 

Die historisch-kritische Methode, heute naseweis dem Islam anempfohlen, kam im 19. Jh. auf, nicht, um mit den Vorurteilen gegen kinderfressende Juden aufzuräumen, sondern dem Glaubensverfall entgegen, was das Göttliche angeht. So auch noch im 20. Jh. irrational: wundergläubig.

 

Was machen die fürchterlichen Bilder, vorstellungkräftigen Worte, Vorurteile und neuen Hinzudichtungen und bösartigen Neuunterstellungen à la Drittes Reich mit uns, mit den Kinderseelen? Schon in Luft aufgelöst oder bloß verdrängt, eingeschlafen, nicht zuletzt bildungsmäßig sauschlecht aufgearbeitet?

 

Urständ des Mythologismus. Nietzsche formuliert mit der Arier-Mythe den Antijudaismus neu, kombiniert ihn mit dem Mythos vom bösen Weib, dem arischen Kriegerstolz entgegen. 1936 Rassegesetze in D und sich als Herrenrasse berufen fühlen, zur kriegerischen Weltherrschaft! Arier-Mär, Identifikationen sind noch nicht vergangen!

 

Späte Einsicht der Kirchen in D, den jüdischen Mitbrüdern nicht zur Seite gestanden, ihnen die Mitmenschlichkeit versagt + an der Gottesmörderthese festgehalten zu haben. Hochgelehrte Geistliche, noch nach dem Holocaust. Einsichtslos bis heute – dieser KOLLATERALSCHADEN durch die Heilige Schrift!

 

Was ist von der historisch-kritischen Bibel-Aufarbeitung zu halten, die nicht registriert hat, dass zwei Jahrtausende konkurrenzlos Antisemitismus auf angsteinflößende Weise Menschenseelen vergiftet hat? Taufe reicht, um christlich mit dem NT auf der sicheren Seite zu sein! Solchen Projektionen entgegen, gerade darum gewaltige Aufarbeitung + Aufklärung, Reue + Buße vonnöten. Es geht um Nachhaltigkeit, um Eumeniden, die wissen warum.

 

Nachkriegszeit. Als Kind in den Bußandachten gewesen. Patres, haben dem Gemeindevolk die Leviten gelesen. Über schlimme Kriegsgräuel gesprochen. Über den Verlust von Menschlichkeit. Insichgehen galt den Reihen der Männer, die befremdet wirkten. Kirche, sich selbst anführend, Stolz auf ihren „Löwen“.

 

Da ist ein Innenminister mit Heitmeyer-Ängsten, einer, der da anteilsgleich bei der Polizei, für Bavaria und D unbewusste rechtsextremistische Reflexe freilegen könnte: Nürnberg, Bayreuth. Was wirkt nach? Plötzlich auch ein Reichsbürgerproblem.

 

 Des Ministers Rolle mit Blick auf Maaßen, dem dt. „Verfassungsschützer a.D.“, ein Nietzsche-Verehrer, ist nicht vergessen, auch nicht die 120 Jahre Verschlusssache.

 

Verschwörungstheorien gedeihen da, wo Mythen- + Legendenbildung zur Ersatz-Rationalität werden, von bedrängten Eliten häufig in Kauf genommen, um sich nicht selbstkritisch den eigenen Fehlern + Anfechtungen stellen zu müssen, dafür aber dann Sündenböcke haben. „Viel zu verzeihen haben“, es gibt sie, die politische Ausnahme von der Regel.

 

Alle sogenannten „Heiligen Schriften“ weltweit sind historisch-kritischer Neubeleuchtung bedürftig, insbesondere dem philologischen Dogmatismus entgegen, der Jota-besessen für Anachronismen zum Selektionsinstrument + zur vorurteilsschwangeren Menschenjagd geworden ist, wird. Jagd sogar auf einen EX-BP mit mutigem Wort, mentalspezifisch ein Dorn im Auge – rechtslastige Jäger?

 

Nietzsche, philologischer Dogmatist, assoziativ fabulierend, bedarf nach wie vor der Vivisektion, zu viele Attachierte; vom akuten Virus befallen, sogar ein Teil der amerikanischen Gesellschaft, vom verdummenden Super-Rambo-Image erfasst, unverwundbar, furchtlos atomar salutierend.

Rollenwechsel. Vom Schlachthaus Europa und den Kolonialherren zum Weltherrn mit dem „America First!“ gegen den Rest der Welt. Europäer lesen Walt Whitman, vom neuen lebensfrohen hymnischen amerikanischen Geist in der Welt, Amerikaner den ressentimentgeladenen Friedrich Nietzsche. Und geostrategisch agiert die Weltsupermacht aktuell an der Hitler-Hybris vorbei, ein exzentrischer Commander-in-Chief! Damaged by biotope.  A one-dimensional man.

AUFKLÄRUNG VONNÖTEN: DISKUSSIONSTHESEN – ZUR GENESE DES ANTISEMITISMUS

 

Stufe 1

 

Schriftzeugnisse mit Alleinstellungsmerkmal exponieren und fokussieren das Israelitische Volk als symbolischen „Repräsentanten“ von hoher Schriftkultur wie auch von Befremdlichkeiten und Ungeheuerlichkeiten für die gelehrten lesenden Schichten in damaliger Zeit. Fürs gemeine Volk, welches und wo auch immer, mit solchen abschreckenden Spiegelbildern unmittelbar vom Sagen her konfrontiert ist, dem ist mit diesen revolutionären Exponat das Böse und der Böse schleichend ineins identifiziert. Und die Scheußlichkeiten gehen wie Gerüchte nicht nur blitzschnell um, sie setzen sich auch fest.

 

Stufe 2

 

Konservative Biotop-Stimmen und progressive Biotop-Erweiterung widerstreiten einander. Christentum wertet sich gegen das Judentum auf, das Ungeheuerliche und Ängstigende verbleibt bei den Juden als Verräter und Gottesmörder. Das dunkelfleckige AT findet als Aufgehobenes den Gegenpol an der Helle des NT. Juden, von der Strafe Gottes durch Verstreuung in alle Welt ereilt, sozusagen als Träger des Kainszeichens, die nicht den Übergang zu Christus vollzogen haben.

 

Stufe 3

 

Diskriminierung dieser Entwurzelten verstärkt gesellschaftliche Auffälligkeit, belässt Außenseiter als Außenseiter, aber ermöglicht Sonderrollen für gesellschaftlich Umstrittenes und auch in Erfolg Umschlagendes, identifiziert selektiv auf Anschein und Verweis auf die Heiligen Schriften hin und gibt sich die Selbstbestätigung für Vorurteile, für Stereotypen auf Juden - bis in Exzesse und Pogrome hinein, dem Hexenwahn und Unliebsamgewordenen, was Selbstgefährdung durch Konkurrenz und Rivalität in der Männerwelt angeht, nicht unähnlich.

 

Stufe 4

 

Die Shoa ist die auf die Spitze getriebene weltöffentliche Widerlegung des antisemitischen Archetyps, als des Repräsentanten des Bösen: Nietzsche setzt mit dem kriegerischen Arier-Mythos dem verführerischen Eva-Mythos die Spitze der Verächtlichmachung auf. Es wabert in Deutschland: „Die Juden sind an allem schuld.“ – „Deutschland erwache! Juda verrecke!“ Der Ruf nach erlösender Normalität und als Appell in die Welt hinaus, von mir verwundert aufgeschnappt, gäbe es doch nach Auschwitz gewaltige Vorwürfe zu erheben und Strafen in dem Maß zu verhängen, mit dem die Verbrechen verübt worden sind, aber älter geworden und neu hinzugelernt, nämlich den altbekannten Zuweisungsurteilen, wie bei wiedererwachtem Feindbilddenken, steht ein Kriegszug an, entgegen. Stattdessen das Differenzierte und Versöhnliche für Neuverständigung: Wir sind nicht besser und schlechter als andere auch, strebsame und irrende Menschen, euresgleichen überall in der Welt der als Menschen Geborenen, als Vernunftwesen! Und von daher haben wir uns ins Benehmen zu setzen!

 

Stufe 5

 

Eine gewaltige Aufgabe in der Welt, die sich mit Blick auf die Weltkulturen auftut. Worin besteht das Wissen voneinander. Wie korreliert Elite- und Bevölkerungswissen? Welche Offenheit besteht im Hinblick auf die herausgeforderte globale Welt? Letztlich geht es um das intelligible Denken des neugefassten Weltganzen aller Teile in Wahrheit als Leitsystem, das über das sinnliche und perennierend festgehaltene Denken von verschiedenerlei Geschichtlichkeit wie über die wiederkehrenden Schicksalsschläge hinaus ist und vernünftiger Vektoren der Anleitung bedarf. Wer mit dem Eigenen das Trennende zu anderen festhält, es nicht durch das Gemeinsame mit anderen zum Zusammenwirken zu überwinden sucht, setzt alte Leidens- und Schmerzensgeschichte fort. Bestandsaufnahme und Schlussfolgerungen sind gefragt. Vernunftimperative der Einen Welt für alle müssen gegen die selbstisch zuhöchst gehaltenen Höhlengeschichten der Staatenwelt notwendigerweise weltöffentliche Leitimpulse sein. Es geht um rechtliche Einordnung in den Weltlauf und um Monitoring vor dem Richterstuhl der Vernunft. Fehlt eine Mehrheit für menschheitliche Eintracht, ist zu erwarten, dass verschärfte Krisensituationen bis hin zu Katastrophen die Folge sein werden.

 

*

 

Der Antisemitismus als eingetretene Fehlleistung durch das neue Produkt der Schriftkultur sollte geschichtlich an die Ambivalenz revolutionärer Neuerungen erinnern, zurecht an das Gute und den Stolz darauf, aber auch an unbedachte und böse Folgen durch Fremdwahrnehmung und Ängstigungsphantasien, Gefahren des kurzsichtigen Festhaltens, die wir im Binnengeschehen mit der hehren Idee des Guten und einer kriegerisch zerrissenen Welt der Poleis kennen. Zu den Antisemiten selbst, eigensinnige Gläubige, die auf die Vermeintlichen das Böse projizieren, Empfundenes an diesen wiederzuerkennen glauben, das sie selber sind, sie sehen nur andere, nicht sich selbst, sind sich selbst unbekannt, starren sie Unbekanntes als bekannt und nichtig an, haben kein Bild von sich, wie sie andere sehen, wie andere sie sehen, leben Unmittelbarkeit, sind ohne Selbstwissen und Selbstgewissen.

 

Mit bloßem Erfolgsgewissen ausgestattet dagegen so viele Selbstherrliche, die ohne Aufzuopfernde, ob Arbeitssklaven, Sündenböcke oder Feindbilder, nicht auskommen, nicht zuletzt eindimensional Eingesponnene, Eingekapselte, Eingehauste, die nur in ihrer Art gut denken wollen, nicht als Gattungswesen Mensch, die fortwährend ihr Lichtvermögen unter den Scheffel ihrer selbstbezüglichen Interessen stellen, es nicht wie die Sonne über das Menschenweltganze leuchten lassen, ja, die keinen Blick für den Einklang mit der Natur haben und auch sich abgedunkelt vom mitbetriebenen Schicksal vieler Menschenvölker halten.

 

In der Tat viel Aufklärungspotenzial ist auszuschöpfen. Es ist greifbar, vermag gut zu greifen und viel luftigen Antisemitismus zu zerstäuben, ihm die „eingebildeten“ Schreckbilder und Angstphantasien zu entziehen, wird die rational einzulösende Aufgabe einer vernünftigen Betrachtung angenommen, um Erfolg einfahren zu können, vorausgesetzt, es macht Aufklärung vor der wesentlichen Selbstkritik nicht Halt, sogar das hochgelobt Eigene mit einer gewissen Aura, aber einfach in der Auswirkung auf andere zu sehen und sich für Justierungsbedarf bewusst zu machen! Versäumnisse in Kindheit und Jugend, nämlich Einfühlung und Verständnis zu erschließen, schaffen heikle Einfallstore.

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